Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
sah aus, als ob sie der Schlag treffen werde.
    «Sch-Sch-Schatz», stotterte sie, «Schatz, es ist... passiert!»
    Mrs. Harris war gerade dabei, Hemden von Major Wallace zu bügeln, die sie am Abend zuvor gewaschen hatte — eine der Gefälligkeiten, mit denen sie ihn verwöhnte und sagte, ohne die schwierige Arbeit, das Bündchen glattzustreichen, auch nur mit einem Blick zu unterbrechen: «Nimm’s nicht tragisch, Liebste, sonst kriegst du noch einen Anfall. Was ist passiert?»
    Keuchend und schnaufend wie ein Nilpferd schwenkte Mrs. Butterfield die Zeitung. «Du... hast... gewonnen!» Mrs. Harris ging die volle Bedeutung dessen, was ihre Freundin da sagte, nicht gleich auf. Nachdem sie ihr Schicksal jenem mächtigen Glücksgefühl anvertraut hatte, war die Angelegenheit zunächst aus ihrem Bewußtsein geschwunden. Doch endlich begriff sie den Sinn dessen, was Mrs. Butterfield ihr zuschrie, und ließ das Bügeleisen krachend auf den Boden fallen. «Mein Dior-Kleid!» rief sie, und im nächsten Augenblick hatte sie die Freundin um die runde Taille gepackt, und die beiden tanzten wie Kinder durch die Küche.
    Dann mußten sie sich hinsetzen und ganz genau Zeile um Zeile, Ziffer um Ziffer vergleichen, ob es auch wahrhaftig kein Irrtum sei (natürlich behielten sie immer eine Abschrift vo n ihren Vorhersagen zurück), nun brüteten sie über den Ergebnissen der Wettspiele dieses Samstags. Es stimmte. Mit Ausnahme von einem Spiel war der Schein von Mrs. Harris richtig. Es würde einen Gewinn geben, gewiß einen großen, vielleicht sogar den Haupttreffer; doch das hing davon ab, ob ein anderer die Leistung von Mrs. Harris erreicht oder gar übertroffen hatte.
    Eins schien indessen gewiß: das Kleid von Dior, oder wenigstens das Geld dafür, war gesichert; denn das glaubten beide nicht, daß der Gewinn bei dreizehn richtigen von vierzehn Spielen geringer sein könne. Aber es lag noch eine schwere Prüfung vor ihnen: Bis Mittwoch mußten sie warten, ehe sie auf das Telegramm rechnen konnten, das Mrs. Harris von der Höhe ihrer Beute unterrichten würde.
    «Alles was mehr ist, als ich für mein Kleid brauche, teile ich mit dir», sagte die kleine Scheuerfrau zu ihrer mächtigen Freundin in einer Aufwallung warmer Großherzigkeit; und es war ihr ganz ernst damit. In der ersten Aufregung über den Gewinn sah Mrs. Harris sich schon durch dieses Warenhaus Dior schreiten, von einer Reihe scharrender und sich verneigender Verkäufer flankiert. Ihre Handtasche würde bis zum Platzen mit Scheinen vollgestopft sein. Gang um Gang würde sie entlangschlendern, vorüber an Reck um Red« mit wunderbaren Kleidern, die steif abstanden vor Seidensatin, Spitzen, Samt und Brokat, und endlich ihre Wahl treffen: «Das da nehme ich.»
    Und doch — und doch: so heiter und optimistisch Mrs. Harris von Natur auch war, es gelang ihr nicht, den lauernden Argwohn zu zerstreuen, der sich bei der Unsicherheit ihres Lebens und der Schwierigkeit, das notwendigste Auskommen zu finden, allmählich in ihr gebildet hatte, den Argwohn nämlich, daß es vielleicht doch gar nicht so einfach sei, sich etwas Kostbares, aber Unnützes, einen Luxusgegenstand zu wünschen, der völlig außerhalb des eigenen Kreises lag, ihre ganze Hoffnung darauf zu setzen, in der Lotterie zu gewinnen und sofort den Haupttreffer zu ziehen, das war etwas aus dem Märchenbuch.
    Aber dennoch schien so etwas von Zeit zu Zeit zu geschehen. Alle paar Tage las man es in der Zeitung. Indessen konnte man nichts anderes tun, als bis Mittwoch zu warten. An den Tatsachen und Zahlen und daran, daß sie gewonnen hatte, war allerdings nicht zu rütteln, denn sie hatte die Ergebnisse immer wieder verglichen. Das Kleid von Dior würde ihr gehören und vielleicht noch viel, viel mehr — selbst wenn sie es mit Mrs. Butterfield teilte. Sie wußte von einem Gewinn, der hundertfünfzigtausend Pfund, drei Millionen Schilling, erbracht hatte.
    So zitterte sie drei Tage lang, bis am Mittwochmorgen das Telegramm von der Totogesellschaft eintraf. Es war ein Zeichen ihrer Zuneigung für ihre Freundin, daß sie es nicht sofort aufriß, sondern damit wartete, bis sie sich angezogen hatte und zu Mrs. Butterfield hinüberlaufen konnte, die sich für diesen großen Augenblick in einen Stuhl setzte, sich mit der Schürze Kühlung zufächelte und rief: «Herrgott, mach’s auf oder ich platze vor Aufregung!» Mit zitternden Fingern riß Mrs. Harris endlich den Umschlag auf und faltete das Telegramm auseinander. Es

Weitere Kostenlose Bücher