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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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teilte ihr kurz mit, daß ihr Wettschein gewonnen habe und daß der Anteil einhundertundzwei Pfund, sieben Schüling und neuneinhalb Penny betrage. Es war nur gut, daß Mrs. Harris die Möglichkeit einer Enttäuschung nie ganz außer acht gelassen hatte, denn die Summe war so viel niedriger als der für ein Kleid von Dior notwendige Betrag, daß die Verwirklichung ihres Traums ebenso fern lag und ebenso unmöglich schien wie je zuvor. Nicht einmal Mrs. Butterfields schlechter Trost, «Es ist immerhin besser als nichts; so mancher würde sich über das Geld freuen», vermochte ihr über die schmerzliche Enttäuschung hinwegzuhelfen, wenn sie auch im Innersten genau wußte, daß das Leben so war.
    Was war geschehen? Aus der Gewinnerliste, die Mrs. Harris wenige Tage später zugesandt wurde, ging es deutlich hervor. Die Fußballwettspiele waren in dieser Woche normal verlaufen und hatten wenig Überraschungen gebracht. Allerdings hatte keiner alle vierzehn Spiele richtig erraten, während doch eine ganze Reihe nicht mehr als einen Fehler gemacht und eine beträchtliche Anzahl Mrs. Harris’ Leistung erreicht hatten — das verkleinerte den Anteil für jeden einzelnen.
    Hundertzwei Pfund und etwas, diese Summe war nicht zu verachten, und trotzdem war es Mrs. Harris recht seltsam ums Herz; nachts wachte sie vor Kummer und ungeweinten Tränen auf, und dann erinnerte sie sich wieder an den Grund ihrer Trauer.
    Lange dauerte es indes nicht, bis ihre heitere Natur das Gleichgewicht wiederfand. Und als sie das Geld zur Sparkasse brachte, erschien ihr die ungerade Summe, die ihr das Glück gebracht hatte, schon in anderm Licht.
    Als die Enttäuschung überwunden war, glaubte Mrs. Harris, die Erregung darüber, daß sie hundert Pfund im Fußballtoto gewonnen hatte — hundert Pfund, die sie ausgeben konnte, wofür sie wollte — , müsse ihrem Wunsch nach einem Kleid von Dior ein Ende bereiten. Doch das Gegenteil war der Fall. Ihr Verlangen war so stark wie je. Sie vermochte das Kleid nicht aus ihren Gedanken zu verbannen. Morgens wachte sie mit einem Gefühl der Trauer und Leere auf, als sei ihr etwas Unangenehmes zugestoßen oder als fehle ihr etwas, dessen Verlust der Schlaf nur vorübergehend mit Vergessen bedeckt habe. Dann fiel ihr ein, daß es das Kleid von Dior war — oder ein Kleid von Dior — irgendeins, nach dem sie sich noch immer sehnte und das sie nie besitzen würde.
    Und wenn sie abends nach ihrem Plausch mit Mrs. Butterfield bei einer letzten Tasse Tee zu ihren alten Freunden, den Wärmflaschen, ins Bett stieg und die Decke bis unters Kinn hochzog, begann immer der verzweifelte Kampf, an etwas anderes zu denken — an das neue Mädchen von Major Wallace, das er ihr diesmal als Nichte aus Südafrika vorgestellt hatte (es waren immer Nichten, Mündel, Sekretärinnen oder Freundinnen der Familie), oder an die neueste Verrücktheit der Gräfin Wyszcinska, die seit kurzem Pfeife rauchte. Sie bemühte sich, die Gedanken auf ihre liebste Wohnung oder auf Miss Pamela Penrose zu konzentrieren, die sie mit selbst ihr unbekannten Ausdrücken beschimpft hatte, weil ihr ein Aschenbecher aus der Hand gefallen und zerbrochen war. Sie versuchte, einen Blumengarten zu ersinnen. Doch es hatte keinen Zweck. Je mehr sie sich bemühte, an andere Dinge zu denken, desto quälender beschäftigte das Kleid von Dior ihr Bewußtsein, und sie lag da in der Dunkelheit, schaudernd und voller Verlangen.
    Selbst wenn das Licht ausgelöscht war und nur noch der Schein von der Laterne ins Kellerfenster sickerte, konnte sie durch die Schranktür schauen und es dort hängen sehen. Farben und Stoffe wechselten, bisweilen sah sie es in Goldbrokat, ein andermal in rosa oder dunkelrotem Seidensatin oder weiß mit kremfarbenen Spitzen. Doch stets war es das schönste und teuerste Stück seiner Art.
    Die Originale, die diesen sonderbaren Wunsch hervorgerufen hatten, waren aus Lady Dents Kleiderschrank verschwunden und vermochten sie nicht mehr zu foltern. (Später fand sie im Tatler ein Bild von Lady Dent, die das Hinreißend genannte Kleid trug.) Doch Mrs. Harris brauchte es nicht mehr zu sehen. Das Verlangen, ein solches Stück zu besitzen, war bereits unauslöschlich in ihrem Herzen eingegraben. Manchmal war der Wunsch so stark, daß er ihr Tränen in die Augen trieb, ehe sie einschlief, und oft verfolgte er sie in quälenden Träumen.
    Doch eines Abends, vielleicht eine Woche später, nahmen Mrs. Harris’ Gedanken eine neue Wendung. Sie dachte an

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