Ein kleiner Ritter um halb vier
weg.
Obst-Ulla fuhr fort: »Wir wissen nur, dass es gegen Drachen hilft! Vielleicht fragen Sie noch einmal Ihre Frau?«
Papas Brille beschlug plötzlich.
»Ist total egal«, rief Theo laut.
In diesem Augenblick geschah mehreres auf einmal. Mit einem Knall fiel einer der Blumenkübel um, gleichzeitig ertönte ein wütender Schrei, der wie »Wirbrauchenaberdrachenkrautohnedrachenkrautkeinschatz« klang. Einige Äpfel, Petersilie-, Schnittlauch- und Dillbündel flogen durcheinander, als würde sich jemand einen Weg durch alle Kräuter und Gemüsekisten bahnen. Obst-Ulla fasste sich ans Herz, Papa fiel die Brille runter, Milli schrie auf und der große schwarze Hund, dender Glatzkopf hinter ihnen an der Leine hielt, riss sich los und sprang mit einem Satz über den umgestürzten Kübel, um bellend hinter einer kleinen Gestalt hinterherzujagen, die ziemlich so aussah wie ein kleiner dicker Ritter.
Theo wurde schlecht. Gegen so einen Riesenhund hatte Kasimir sicher keine Chance!
Der Glatzkopf rief: »Der will nur spielen!«, und pfiff laut auf zwei Fingern, doch der Hund war im Nebel verschwunden. Nur sein wildes Kläffen war zu hören.
»Meine Güte«, stieß Obst-Ulla hervor, »was war denn das für ein Tier, hinter dem der Hund da her ist? Ich glaube, ich werde alt. Das Tier sah aus wie ein kleiner Ritter.«
»Theo, wir gehen«, sagte Papa tonlos, nachdem er seine Brille hinter einer Ananas wiedergefunden und die weinende Milli auf den Arm genommen hatte.
Theo schaute entsetzt zu Mara.
Sie konnten Kasimir doch nicht im Stich lassen.
Mara warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Oh nein! Schon nach zwölf! Ich muss so was von dringend nach Hause!«
»Mist!« Theo war ganz verzweifelt. Leise fügte er hinzu: »Was wird aus Kasimir? Er kennt sich doch in all diesen Herzogtümern nicht aus!«
»Theo!« Papa klang ungeduldig.
»Der hat doch ein Schwert!« Mara biss sich auf die Lippen. »Ich … ich könnte ja nach dem Mittagessen wiederkommen …«
»Gleich!«, rief Theo zu Papa. »Würdest du?«
»Unbedingt!«, nickte Mara. »Wir brauchen doch Drachenkraut. Wir müssen Kasimir vor Hunden retten und seinen Schatz finden.«
Und Mama zurückholen, fügte Theo in Gedanken hinzu.
Dann lächelte er Mara an: »Bis später!«
»Was willst du denn mit den ganzen Gurkenschalen, Milli?«, fragte Papa und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Autsch«, knurrte er und zwinkerte, »jetzt ist mir auch noch Spüli in die Augen gekommen.«
Papa machte den Abwasch vom Mittagessen. Die Spülmaschine weigerte sich weiter, für ihn zu arbeiten, und so musste er eben mit der Hand abwaschen.
Es war schon nach drei und der kleine Ritter war noch immer nicht wieder aufgetaucht.
»Also«, fragte Papa, »was willst du damit?«
Milli schaute unschuldig drein. »Nichts.«
Papa ließ nicht locker. »Du brauchst die Gurkenschalen doch nicht für … ein Meerschweinchen?«
»Äh …« Milli stockte.
Doch da klingelte wieder einmal das Handy. Dass es Mama sein könnte, diesen Gedanken hatte Theo schon aufgegeben. Es war auch nicht Mama. »Olga? Wegen der Steckdosen – aha! Hat das nicht Zeit bis Montag?«
Olga! Theo seufzte. Wenn Papa wenigstens schon mal ein Gedicht für Mama dichten würde! Wie wohl die anderen beiden ritterlichen Weisheiten lauteten?
In diesem Moment läutete es an der Tür. Theo schaute auf die Uhr. Halb vier. Klingeln kleine Ritter?
Milli suchte sich noch ein Stück Karotte aus dem Biomüll, winkte Theo zu und sauste ins Kinderzimmer.
»Ich geh schon«, rief Theo und drückte den Türöffner. Draußen sauste jemand die Treppe hoch.
Mara!
»Ich habe Drachenkraut dabei«, rief sie triumphierend, während sie sich die lila Mütze vom Kopf riss und die Winterstiefel mit Schwung in die Ecke pfefferte. Hinter ihr wischte ein grauer Schatten durch die Wohnungstür. »Und Kasimir!«
»Was?« Theo glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Der Ritter war mit Mara unterwegs? Ohne ihn?
Mara zog eine Gewürzdose aus der Jackentasche. »Estragon!«
»Estragon?«, wiederholte Theo.
»Das heißt auf Deutsch Drachenkraut, sagt meine Oma. Und die kennt sich aus mit Gewürzen! Dragon heißt Drache, sagt sie! Das muss das Kraut sein, das Kasimir gemeint hat!«
»Ist es! Ist es bestimmt!« Kasimir rieb sich die Nebelfeuchte vom Helm.
Theo wusste nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Was hatten die beiden draußen ohne ihn erlebt?
Mara drehte den Deckel ab. »Hier, riech mal.«
Theo
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