Ein kleines Stück vom Himmel nur
zurecht.«
»Als ob ich dich allein fahren lassen würde! Das würde Joe mir nie verzeihen.«
In diesem Moment hasste Nancy Joe von ganzem Herzen.
»Hier geht es nicht um Joe, sondern um mich!«
»Und stell dir bloà vor, du bekommst das Baby während der Fahrt im Taxi! Nicht auszudenken! Nein, ich begleite dich, so viel ist sicher.«
Flüchtig kam Nancy die Frage in den Sinn, was Dorothys Begleitung ihr in einer solchen Situation wohl nutzen würde, doch glücklicherweise musste Dorothy ihre geburtshelferischen Fähigkeiten nicht beweisen. Das Taxi setzte sie vor der Klinik ab, und der Arzt, der Nancy untersuchte, kündigte an, dass das Baby wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunden zur Welt käme. Doch es wurde Nachmittag und schlieÃlich Abend, und es war immer noch nicht da. Schwitzend und betäubt von den Medikamenten hörte Nancy den Arzt und die Schwestern etwas darüber murmeln, dass das Kind »falsch herum« läge. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Niemand hatte bisher mit ihr über diese Möglichkeit gesprochen, und ehrlich gesagt war es ihr auch egal. Sie wollte einfach, dass diese Folter endlich ein Ende hatte. Der Arzt und die Hebammen untersuchten sie in regelmäÃigen Abständen, drückten und fingerten an und in ihr herum und hörten die Herztöne des Babys ab, aber Nancy litt so stark unter ihren Schmerzen, dass sie kaum Notiz von ihnen nahm. Die wachsende Besorgnis des Krankenhauspersonals entging ihr. Nicht einmal das Wort »Kaiserschnitt« kam bei ihr an. Aber vielleicht hatte ihr Körper es verstanden und rebelliert, denn plötzlich, wie durch ein Wunder, war das Baby da, und sie hörte die Schwester begeistert rufen: »Mrs. Costello, Sie haben einen süÃen kleinen Jungen!«
Eine halbe Stunde später hatte die völlig erschöpfte Nancy die Beine in Haltern liegen und wurde genäht. Sie fasste sich mit den Händen an den schlaffen Bauch, der sich wie Wackelpudding anfühlte, und blinzelte zu der Schwester hinüber, die an ihrem Bett stand.
»Mein Baby! Wo ist mein Baby?«
»Er ist hier, Mrs. Costello.«
Nancy konnte es nicht sehen. Das Einzige, was sie sehen konnte, war ein Säuglingsbettchen, das an eine Plastikkiste erinnerte, und eine weitere Schwester, die sich darüber beugte und irgendetwas machte. Nancy hatte keine Ahnung, was da los war. Panik überfiel sie, und sie versuchte, die Beine aus den Halterungen zu lösen.
»Geht es ihm gut? Bitte sagen Sie mir, dass alles in Ordnung ist!«
»Es geht ihm gut, Mrs. Costello. Bleiben Sie bitte jetzt noch ruhig liegen â¦Â«
Nancy war plötzlich davon überzeugt, dass man ihr etwas verheimlichen wollte. Die Geburt hatte zu lange gedauert â was machte diese Schwester da mit ihrem Baby? Die langwierige, schmerzhafte Geburt war plötzlich vergessen; verschwunden waren auch ihr Kummer und ihre Zweifel, ihre Trauer um Mac und ihre pessimistischen Gedanken über die Zukunft. Das alles spielte nun keine Rolle mehr. Das Einzige, worauf es ankam, war das kleine Kind, das neue Leben, das sie neun Monate lang in sich getragen hatte. Nancy war plötzlich wieder in einem anderen Zimmer â in einem früheren Leben, wo eine gallertartige Masse und ein Fötus, der niemals Atem holen würde, wie Abfall in einer Blechschale lagen.
»Mein Baby!«, schrie sie. »Ich will mein Baby!«
»Schon gut, Mrs. Costello.« Die Krankenschwester neben dem Kinderbettchen trat zur Seite, und Nancy durfte zum ersten Mal ihren Sohn sehen; noch ganz glitschig von Blut und Schleim, lag er auf einem Mullgewebe. Die Krankenschwester legte ihn in eine Waagschale, notierte sein Gewicht â 3260 Gramm â, wickelte ihn in eine blaue Decke und trat mit ihm an Nancys Bett.
»Hier ist Ihr Sohn, Mrs. Costello. Haben Sie schon einen Namen für ihn ausgesucht?«
»John«, antwortete Nancy. Darauf hatten sie und Joe sich in ihren Briefen geeinigt. »Wir wollen ihn John nennen.«
Die Schwester legte ihr das kleine, feste Bündel in die Arme. Nancy bettete das Kind an ihre Brust und blickte voll Staunen auf den feucht glänzenden, schwarzen Haarschopf, den kleinen Kopf, der durch die lange Geburt noch etwas verformt wirkte, die Knopfnase, den kleinen, gespitzten Mund und die Ohren, die flach an seinen Schädel gepresst waren, und verliebte sich
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