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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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ihre übliche Energie. Es war beinahe so, als ob ihr alles gleichgültig wäre. Aber das war es natürlich nicht. Dorothys ständige Gesellschaft brachte sie bald zur Weißglut, und diesmal konnte sie ihr nicht entkommen. Sie war gefangen, saß fest bei einer Frau, die meinte, alles besser zu wissen, und ihre Meinungen mit der scheinheiligen Sicherheit durchsetzte, dass alles, was sie tat, nur zum Besten ihres Opfers geschah.
    Obwohl Dorothy nie eigene Kinder gehabt hatte, wurde sie plötzlich zur Expertin in Sachen Schwangerschaft. Sie kaufte eine widerlich riechende Salbe, mit der Nancy sich Bauch und Busen massieren sollte, sie kochte Essen, auf das Nancy keinen Appetit hatte, und stand während den Mahlzeiten praktisch neben ihr, weil Nancy ihrer Meinung nach während der Zeit in England nicht genügend Nährstoffe bekommen hatte und aufgepäppelt werden musste. Sie kaufte eine Flasche Feigensirup und drängte Nancy jeden Morgen, zum Frühstück etwas davon zu trinken, denn sie bestand darauf, dass »eine geregelte Verdauung« in Nancys Zustand sehr wichtig sei. Jeden Nachmittag schickte sie Nancy für eine Stunde auf ihr Zimmer, damit sie sich ausruhte; sie nörgelte an ihrem angeblich ungeeigneten Schuhwerk herum; sie zog los und kaufte Nancy zwei neue, riesige Kittel, da die Kleider, die Nancy immer noch trug, ihrer Meinung nach Nancys rasch wachsenden Umfang nicht mehr »anständig« verhüllten. Nancy war praktisch eine Gefangene, und die Tage zogen sich endlos hin wie eine Strafe, die abgesessen werden musste.
    Der letzte Schwangerschaftsmonat kam ihr am allerlängsten vor. Nancy hasste ihren riesigen, aufgeblähten Bauch und die geschwollenen Brüste; sie fand, dass sie aussah wie einer der Sperrballons, die sie manchmal in England an strategisch wichtigen Orten hatte umfliegen müssen. Und durch ihren Aufenthalt in England war sie an ein kühleres Klima gewöhnt; die Hitze, die zu Hause in Florida im Juni herrschte, kam ihr unerträglich vor. Ihre Fußgelenke schwollen an, der Rücken tat weh, und alles wurde unglaublich beschwerlich. Und über allem hing stets die Trauer um Mac, sosehr sie sich auch bemühte, sie zu verdrängen, begleitet von dem tief sitzenden Bedauern, dass sie sich selbst in diese Lage hineinmanövriert hatte. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Doch nun war es zu spät für Reue. Wie man sich bettet, so liegt man, wie es in dem Sprichwort so schön heißt. Die Gegenwart war die reinste Hölle, die Zukunft ein wenig einladendes Land, durch das sie sich kämpfen musste wie ein Pilger durch den Sumpf der Verzagtheit.
    Doch dann, als sie schon nicht mehr daran glaubte, dass ihre Qualen jemals enden würden, war es vorbei, und von dem Moment an, in dem sie ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hielt, war alles anders.
    Es war eine lange und schwierige Geburt. Ein leichter ziehender Schmerz in ihrem unteren Rücken, ähnlich den Menstruationsschmerzen, setzte irgendwann im Laufe des Vormittags ein; am Abend fühlte sich Nancy äußerst unwohl, war sich aber immer noch nicht sicher, ob es sich tatsächlich um Wehen oder vielmehr irgendeine neue Art von Unbehagen handelte, das sie einfach überwinden musste. Sie ging zu Bett, ohne ein Wort darüber zu verlieren; das Letzte, was sie wollte, war, dass diese lästige Dorothy ein großes Aufhebens um sie machte. Aber sie konnte nicht einschlafen. Die Schmerzen wurden eindeutig schlimmer; krampfartige Schmerzen, unter denen sie sich krümmte und still vor sich hin stöhnte. Sie ertrug sie, bis der erste Streifen Morgenlicht am Himmel sichtbar wurde; sie wollte Dorothy nicht stören, war aber allmählich ein wenig beunruhigt. Sie war schon aufgestanden und ging im Schlafzimmer auf und ab, als Dorothy die Tür öffnete und hereinschaute.
    Â»Es hat angefangen«, stellte Dorothy fest und verzog missbilligend die Mundwinkel, als sei das Ganze irgendwie Nancys Schuld und nicht der Lauf der Natur. Dabei zitterte ihr Doppelkinn vor mühsam unterdrückter Aufregung, aber ihre mollige Gestalt verströmte trotz des Nachthemds, das sie trug, Autorität.
    Nancy nickte und kämpfte gegen die nächste Wehe an.
    Â»Ich zieh mich nur rasch an, und dann rufen wir ein Taxi und fahren ins Krankenhaus.«
    Â»Es ist doch überhaupt nicht nötig, dass Sie mitkommen«, protestierte Nancy. »Ich komme schon

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