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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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augenblicklich. Ihr Baby. Das perfekteste Geschöpf auf der ganzen Welt.
    In diesem Moment, als eine Woge der Liebe in ihr aufwallte, wusste Nancy, dass in ihrem Leben nichts mehr so sein würde wie vorher, und sie wollte es auch gar nicht. Für dieses Kind würde sie durch die Hölle gehen und wieder zurück. Was immer sie auch verloren hatte und was ihr in Zukunft fehlen würde – ihr Sohn war es wert. Ihr Baby. Zwar nicht ihr Erstgeborenes, aber darum umso kostbarer. Ein Wunder, das sie gar nicht verdient hatte.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte Nancy eine ungetrübte Glückseligkeit.
    Dorothy versuchte natürlich, das Baby mit Beschlag zu belegen. Sie war plötzlich die weltbeste Expertin in allen Fragen zum Stillen und Wickeln, wusste genau, wie viel frische Luft nötig war und wie das Schlafverhalten eines Babys auszusehen hatte. Nancy, die ihr Selbstbewusstsein wiedergewonnen hatte, ignorierte ihre Ratschläge und machte alles so, wie sie es instinktiv für richtig hielt. Es gab ein paar Momente, in denen sie Angst verspürte und sich überwältigt fühlte von der Verantwortung für dieses winzige, hilfsbedürftige Wesen, doch zumeist war sie gelassen und so stark, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.
    John war ein ausgesprochen pflegeleichtes Baby. Er schrie, wenn er Hunger hatte, trank gut und schlief dann gleich wieder an ihrer Brust ein. Er wuchs und nahm zu, genau wie es der Norm entsprach, er strampelte fröhlich, wenn sie ihn badete oder ihm die Windeln wechselte. Nur Dorothy pinkelte er einmal an wie ein kleiner Springbrunnen, als sie ihn wickeln wollte; von da an überließ Dorothy dieses lästige Geschäft lieber Nancy und schaute aus sicherer Entfernung zu, nicht ohne allerdings weiterhin gute Ratschläge zu erteilen.
    Dorothy mochte es auch nicht gern, in der Nacht gestört zu werden. Wenn John in den frühen Morgenstunden aufwachte und gestillt werden wollte, trug Nancy ihn nach draußen auf die Veranda und stillte ihn auf dem großen alten Schaukelstuhl, betrachtete die Sterne und fühlte sich eins mit dem Universum. Das Gefühl von Harmonie und Frieden war so tief, dass sie sich kaum vorstellen konnte, dass auf dieser Welt gerade Krieg herrschte. Dass auf der anderen Seite des Atlantiks Geschütze donnerten, Granaten splitterten und Bomber – möglicherweise sogar Joes – ihre tödliche Fracht abwarfen. Vielleicht nicht gerade in diesem Moment, wenn man die Zeitverschiebung bedachte. Aber die Folgen wären jedenfalls gegenwärtig, der Tod und die Zerstörung. Hier dagegen war alles wie immer, die Häuser standen noch am selben Fleck, die Landschaft war unberührt. Nur gelegentlich störte ein leises Dröhnen die Stille der Nacht, wenn ein Flugzeug vom Stützpunkt in Tampa startete.
    Nancy atmete den Duft des Hibiskus ein, zusammen mit dem süßen Babyduft ihres geliebten Sohns, und empfand Dankbarkeit. Das war eine Zeit für sie ganz allein, kein Gefängnis, sondern vielmehr ein Zufluchtsort in ihrem unruhigen Leben. Sie wünschte, es könne immer so bleiben.
    Im Frühling und Frühsommer des Jahres 1944 bewegte sich der Krieg in Europa unaufhaltsam auf seinen Höhepunkt zu. Im April hatte die siegreiche Rote Armee die Krim zurückerobert; im Mai wurde der Widerstand der Achsenmächte in Italien gebrochen. Und in England liefen die letzten Vorbereitungen für die Landung der Alliierten in der Normandie.
    Nancy hatte natürlich keine Ahnung davon, was in dieser Zeit vor sich ging, doch als sie sich Jahre später trafen, erzählte Kay ihr von der aufgeregten, gespannten Stimmung, die an den Überführungspools der ATA geherrscht hatte. Jeder ahnte, dass eine große Aktion kurz bevorstand, obwohl zu dem Zeitpunkt das geplante Datum der Invasion streng geheim gehalten wurde. Die Mädchen bekamen nur mit, dass ein Geschwader Bomber nach dem anderen über sie hinwegflog auf dem Weg zu den Einsätzen, die die Invasion vorbereiteten, den Angriffen auf Schienen und Rangierbahnhöfe in Frankreich. Ein großer Teil der Arbeit bestand darin, Stirlings zu den neuen Flugplätzen von Keevil und Fairford zu bringen. Sie bemerkten, dass sich an den Stützpunkten ebenso wie am Himmel die Segelflugzeuge vermehrten wie Blattläuse auf Rosen an einem feuchten Sommertag. Manche von ihnen wurden mit schwarz-weißen

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