Ein kleines Stück vom Himmel nur
Nancy.
»Darf ich?«
»Ja, natürlich darfst du. Es ist höchste Zeit, dass er endlich seinen Vater kennenlernt.«
Sie legte ihm John in die Arme, und obwohl der Kleine seinen Kopf besorgt wegdrehte, um seine Mutter im Blick zu behalten, weinte er weder, noch gab er ein Wimmern von sich, was Joe eigentlich schon erwartet hatte. Joe war überrascht, wie schwer John war und wie kräftig und stabil sich sein runder kleiner Körper anfühlte; überrascht war er auch von seinem eigenen Gefühl der Rührung. Wie die meisten Männer hatte er an Babys nie viele Gedanken verschwendet. Er hatte natürlich schon bestimmte Vorstellungen davon gehabt, wie es mit seinem Sohn sein würde, ein kleiner Junge, der zu einem gröÃeren Jungen heranwuchs, mit dem er dann Männersachen machen konnte, aber Babys ⦠Na ja, mit denen gurrten doch eher die Frauen herum und machten ein groÃes Getue, während die Babys bloà herumschrien, spuckten und in die Windeln machten. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er sich getäuscht hatte. Es bestand gar kein Zweifel daran, dass er hier einen kleinen Menschen vor sich hatte. Und der hatte die weit aufgerissenen blauen Augen in angestrengter Konzentration auf Joes Gesicht gerichtet, während er mit seinen pummligen Fingern an einem Knopf von Joes Uniformjacke herumzupfte.
»Hallo, mein Sohn«, sagte Joe.
Irgendwie gelang es ihm, sich John in eine Armbeuge zu legen, ohne ihn fallen zu lassen, dann legte er den anderen Arm um Nancy. Er hatte einen Kloà im Hals und musste zwinkern, weil er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen.
Es kam Joe so vor, als hielte er die ganze Welt in den Armen.
»Hast du schon gehört, dass Glenn Miller vermisst wird?«, fragte Nancy.
»Nein!«
»Ja, auch er ist verschwunden. Er ist nach Frankreich geflogen, um dort für die Truppen zu spielen, aber er ist nie dort angekommen. Man hat keinen Notruf von ihm empfangen, und auch das Wrack ist nirgendwo aufgetaucht. Sieht so aus, als ob es um ihn geschehen ist.«
»Das ist ja ein Jammer. Mir gefällt Glenn Miller.«
»Mir auch. Vor allem die Moonlight Serenade .«
»Und In The Mood .«
Nancy und Joe genossen auf der Veranda die kühlende Abendluft. John schlief im ersten Stock in seinem Bettchen, und Dorothy war taktvollerweise eine Freundin besuchen gegangen, die am anderen Ende der StraÃe wohnte. Die Hitze des Tages war immer noch in der Luft zu spüren, es duftete nach Hibiskusblüten, und die Grillen zirpten ihr endloses Lied. Nancy und Joe saÃen nebeneinander in der Hängematte und rauchten; sie waren so unbefangen miteinander, als hätten die lange Trennung und die Ereignisse der Vergangenheit nie stattgefunden. Es war beinahe, als hätten sie erst gestern die letzte gemeinsame Zigarette auf Dorothys Veranda geraucht.
»Genau wie früher«, stellte Joe fest.
»Nur, dass wir jetzt ein Baby haben.« Nancy war in Gedanken immer bei John.
»Ja.« Joe warf seinen Zigarettenstummel in die Einfahrt, wo er in der Dämmerung kurz aufglühte wie ein Glühwürmchen. »Ich habe hier noch etwas für dich, Nancy. Noch von damals.« Er kramte in seiner Tasche herum und zog ein quadratisches Kästchen heraus, das sie sofort wiedererkannte. »Es ist vielleicht schon ein bisschen spät dafür, aber besser spät als nie. Ich hätte dir auch schreiben können, wo du ihn findest, aber ich wollte ihn dir gern selbst geben.«
Er öffnete das Kästchen und holte den Ring hervor, den er ihr gekauft hatte, ehe er zur USAAF ging. »Der hat hier schon die ganze Zeit auf dich gewartet, mein Schatz. Ein Glück, dass du mich damals nicht überredet hast, ihn zum Juwelier zurückzutragen.«
Er nahm ihre Hand und schob ihr den Ring auf den Finger, so dass er neben ihrem schlichten goldenen Ehering saÃ. Er war ein bisschen eng; während der Schwangerschaft waren nicht nur ihre FuÃgelenke, sondern auch die Fingerknöchel geschwollen und seither nicht wieder so schmal geworden wie früher. Ihre Kehle schnürte sich zusammen.
»Ach, Joe â¦Â«
»Du weiÃt ja gar nicht, wie stolz mich das macht, Liebling, meine Ringe an deinem Finger zu sehen. Und zu wissen, dass du und unser Sohn hier auf mich wartet, bis ich das nächste Mal wieder nach Hause komme. Ich glaube, ich bin der glücklichste Mann auf Erden.«
»Ich bin die
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