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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur
Autoren: Amelia Carr
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irgendwie habe ich es nie über mich gebracht, mich davon zu trennen. Es bedeutet mir zu viel, und obwohl ich jahrelang keinen Blick mehr hineingeworfen habe, reichte es mir, zu wissen, dass es noch da war, eine Verbindung zur Vergangenheit, die tröstlich und gefährlich erregend zugleich war.
    Vor ein paar Wochen habe ich jedoch entschieden, dass es an der Zeit ist, mich von meinen Schätzen und Geheimnissen zu trennen. Ich bin vierundachtzig Jahre alt; ich möchte nicht, dass jemand anders meine persönlichen Dinge weggibt, wenn ich nicht mehr da bin. Ich kann mir unschwer vorstellen, wie ungeduldig Ritchie mit meinen Sachen umgehen würde. Nachlässig würde er die Dinge, die mir einmal wichtig waren, durchwühlen, über manches verächtlich die Nase rümpfen, anderes dagegen mit ungesundem Interesse betrachten. Ich besitze einige Dinge, die niemand außer mir sehen sollte, doch ich will auch nicht, dass sie einfach in einen Müllsack gestopft werden. So schwer es mir auch fällt – ich möchte mich selbst von diesen Dingen trennen. Entschlossen, aber mit liebevoller Zuneigung. Und ich will das erledigen, solange ich noch in der Lage dazu bin, solange meine steifen Hände noch einen Brief zerreißen können und mein Verstand noch wach genug ist, um mir zu sagen, was ich da zerstöre. Ich wünschte, ich hätte mich schon vor Jahren an das Aussortieren meiner Sachen begeben, als ich noch auf dem Boden sitzen und nach Lust und Laune Schubladen herausziehen konnte. In meinem momentanen Zustand hatte ich Ritchie bitten müssen, mir alles stapelweise auf den alten Eichentisch ins Wohnzimmer zu tragen, wo ich mich auf einen Stuhl setzen und alles einigermaßen bequem durchsehen konnte.
    Er murrte natürlich herum und schlug vor, ich solle lieber gleich alles in den Müll werfen.
    Â»Du hast dich all die Jahre nicht darum gekümmert – warum gerade jetzt?«
    Â»Weil ich es will.«
    Â»Wie ich dich kenne, wirst du keine einzige Sache wegwerfen. In ein paar Tagen muss ich den ganzen Kram wieder zurückräumen.«
    Ich spürte, wie Verzweiflung in mir aufstieg, sowohl über Ritchie als auch über mich selbst. Eins kann ich dir versichern: Alt zu werden macht wirklich keinen Spaß. Ich hasse es, meine Unabhängigkeit zu verlieren; es ist mir zuwider, bei den einfachen Dingen, die ich noch vor wenigen Jahren mühelos allein tun konnte, um Hilfe bitten zu müssen. Und dass ich mich manchmal innerlich noch wie neunzehn oder zwanzig fühle, hilft mir auch nicht weiter. Mit dem Unterschied vielleicht, dass ich mich damals noch für unsterblich und unbezwingbar hielt und es jetzt besser weiß.
    Â»Ritchie, kannst du denn nicht einmal etwas für mich tun, ohne lange herumzudiskutieren? Ich würde dich doch nicht um Hilfe bitten, wenn ich es selbst könnte. Aber leider schaffe ich das nicht.«
    Also hat Ritchie mir schließlich doch alle Ordner und Kisten herangeschleppt, um die ich ihn gebeten hatte, und ich machte mich an die entmutigende Arbeit, die Hinterlassenschaften meines Lebens zu sortieren.
    Unter den Sachen befanden sich keinerlei Geschäftspapiere; die Firmenunterlagen werden alle im Büro aufbewahrt. Aber es gab unzählige Umschläge voller Familienfotos, die meine Erinnerungen weckten, während ich sie betrachtete. Da war eines von John mit Schwimmflügeln und diesem grässlichen Badeanzug, den ich ihm gestrickt hatte. Das Bild auf dem Strickmuster hatte eine gelassen lächelnde Frau und ein niedliches Kleinkind gezeigt, die perfekte Familie, und ich hatte mich der Illusion hingegeben, dass ich mich selbst in diese perfekte Mutter verwandeln würde, wenn ich den Badeanzug strickte. Doch gestrickte Badeanzüge sind nicht besonders tauglich zum Schwimmen. Kaum war John im Wasser, saugte sich die Wolle mit alarmierender Schnelligkeit voll und hing ihm schließlich triefend zwischen den Knien herab. Dann war da ein Foto von Ellen vor ihrem Spielhaus, wie sie mit ernsthafter Miene ihre Puppenkleider auf einem Puppenbügelbrett bügelt, und eines von Ritchie auf seinem Kinderfahrrad, mit finsterem Gesicht, weil er es nicht geschafft hatte, ohne Stützräder zu fahren, und Joe sie wieder anschrauben musste.
    Dann waren da die vielen Kleinigkeiten, die ich aufbewahrt hatte, weil sie mich stolz und glücklich machten. Geburtstagskarten, die die Kinder gebastelt hatten, mit
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