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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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seiner heftigen, fast brutalen Reaktion. Sie fühlte sich, als sei ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Dann löste sich ein erster, zitternder Schluchzer aus ihrer Kehle, erst einer, dann noch einer, bis heftiges Schluchzen ihre Brust hob und senkte. Sie presste die Hand vor den Mund und starrte die geschlossene Tür an, als ob sie sich jederzeit wieder öffnen und er hereinkommen würde.
    Sie konnte nicht glauben, dass er so weggegangen war. Verzweiflung erfüllte sie. Sie hatte ihn so sehr begehrt – sie begehrte ihn immer noch. Vom Scheitel bis zur Zehenspitze schrie jeder Zentimeter ihres Körpers nach ihm. Und sie hatte geglaubt, dass auch er sie begehrte. Er hatte sie mit solchem Verlangen geküsst und umarmt, dass sie sich sicher gewesen war … Aber dann, auf einmal, war er ganz kalt geworden. Hatte sie weggestoßen, als sei sie ihm widerwärtig. Und war gegangen, ohne ein Wort der Erklärung, ohne einen Abschiedsgruß.
    Â»Du Scheißkerl!«, brach es aus ihr hervor. »Wie kannst du es wagen, mich so zu behandeln! Ein Glück, dass ich dich los bin!«
    Sie schlug mit den Fäusten in die Luft und stellte sich vor, es sei sein Gesicht. Dieses Gesicht, das sich so verhärten und sie ausschließen konnte. Dieses Gesicht, das so selbstsicher, so arrogant wirken konnte. Das Gesicht, das tiefe Falten bekam, wenn er lächelte, der ironisch verzogene Mund, die Augen, die so warm und zärtlich blicken konnten … Und plötzlich lösten sich Wut und niederträchtige Gefühle auf, und sie weinte. Sie krümmte sich, ihr Körper wurde von Schluchzen geschüttelt, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Sie liebte ihn. Sie liebte ihn mit verzweifelter Sehnsucht. Aber er liebte sie nicht. Wollte sie nicht. Nicht wirklich. Vielleicht als Zeitvertreib, als Abwechslung. Jemand, mit dem er sich in einer freien Stunde ein wenig ablenken konnte. Mehr nicht. Das war alles, was sie für ihn je sein konnte. Und nun vielleicht nicht einmal das. So, wie er sie sitzen lassen hatte, konnte sie sich kaum vorstellen, dass es noch einen Weg zurück gab.
    Als Nancy sich wieder aufrichtete, merkte sie, dass ihr Kimono am Ausschnitt auseinanderklaffte und eine Brust zum größten Teil entblößte. Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Nichts war mehr wichtig – nur, dass es vorbei war und sie nie wieder so mit ihm zusammen sein würde. Sie merkte, dass ihr wieder Tränen in die Augen steigen wollten, zerrte wütend den Ausschnitt des Kimonos zurecht und knotete den Gürtel zusammen.
    Die Whiskyflasche stand immer noch offen auf dem Tisch. Es war nicht mehr viel drin, aber es reichte. Nancy leerte die Flasche in das Glas, aus dem sie beide getrunken hatten, starrte es einen Moment an und trank es dann aus. Wahrscheinlich würde sie am nächsten Tag furchtbare Kopfschmerzen haben – aber egal. Im Moment wünschte sie bloß, es wäre noch genug da, um sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken.
    Mac gab auf seiner Douglas Gas und fuhr wie ein Besessener. Aber den Schmerz und die Wut, die er über den Tod von Johnny Westwood verspürte, konnte er nicht abhängen – wieder ein junger Mann, der aus der Blüte seines Lebens gerissen worden war, wieder ein Gesicht, das er nie mehr sehen, ein Kamerad, mit dem er nie wieder trinken und lachen würde. Und auch das Bild von Nancy konnte er nicht hinter sich lassen, die dünne Seide, die ihre Rundungen umgab, feuchtes Haar, das sich um ein Gesicht ringelte, das noch rosig vom Bad war, und in zarten Ranken auf ihrem Nacken lag. Er konnte immer noch den Duft ihrer Haut riechen und die verlockenden Rundungen ihres Körpers spüren. Oh Gott, wie sehr er sie gewollt hatte! So sehr, dass es ihn schier verzehrte. Aber zugleich …
    Er konnte es nicht. Er konnte dem Verlangen nicht nachgeben, das in ihm loderte wie ein Flammenmeer. Es war nicht einfach nur eine bewusste Entscheidung, es ging viel tiefer. Sein Verstand sagte ihm, dass es Judy kaum wehtun könnte, wenn er mit Nancy schlief. Doch die Treue, die er in seinem Eheversprechen gelobt und seitdem auch gelebt hatte, war zu fest in ihm verankert. Er hatte sie nie betrogen, abgesehen von den paar Ausrutschern in betrunkenem Zustand, die kaum zählten. Mit Nancy war es anders. Sie stand ihm nah; sie hatte einen Weg in sein Herz gefunden. Mit ihr zu schlafen würde

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