Ein König für Deutschland
dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.«
63 Beschluss des Deutschen Bundestags vom 26.02.1970 zur Drucksache VI / 361, StenBer. S. 1657
64 BVerfGE 24, 332
KAPITEL 29
W inston Smith Correction Center« stand in stolzen silbernen Buchstaben auf einem großen weißen Schild vor der Zufahrt, und darunter »Ein Unternehmen der John D. Narosi Group« .
Ein privates Gefängnis 65 , hatte ihm Bruce erklärt. Gilt als vorbildlich geführt, und es sind nur leichte bis mittelschwere Fälle dort.
Das Gebäude am Ende der Zufahrt wirkte absolut futuristisch, ließ eher an ein Museum für moderne Kunst denken als an ein Gefängnis. Der verschrammte, klappernde Gefängnisbus, der, nachdem Vincent eingestiegen war, noch drei andere Untersuchungsgefängnisse abgefahren und weitere Gefangene aufgenommen hatte, wirkte hier absolut fehl am Platz.
Sofort nachdem das Eingangstor sich hinter ihnen geschlossen hatte, wurden ihnen die Ketten abgenommen: Sie passten nicht hierher. Alles hier war licht, hell, neu. Hier hatte sich ein Architekt wirklich ausgetobt. Kein Vergleich mit der staubig-muffigen Atmosphäre, in der Vincent die letzten Wochen verbracht hatte, und erst recht nicht mit dem Geruch nach Zerfall und Gewalt, an den er sich aus dem Oak Tree erinnerte.
Die Aufnahme lief mit kühler Präzision ab. Als Erstes mussten sie auch noch die letzten Dinge abgeben, die sie mitgebracht hatten, denn ab jetzt, das hatte ihm Bruce schon ganz zu Anfang erklärt, war er kein Untersuchungsgefangener mehr, sondern ein richtiger Häftling.
So stand Vincent vor einer polierten Edelstahltheke und sah zu, wie eine uniformierte, stämmige Frau mit stumpfbraunem, kurzem Haar den Beutel leerte, den er mitgebracht hatte. Sie legte seine Brieftasche, seinen Kamm, seine Armbanduhr in einen mit Barcode gekennzeichneten Metallkasten und diktierte einem schmächtigen, glattgesichtigen Mann jeweils in den Computer, worum es sich handelte. »Brieftasche, enthaltend Führerschein, fünf Dollar und fünfzig Cent, ein Foto. Ein Kamm. Eine Armbanduhr. Was ist das?«, fragte sie dann und hielt einen Baseball hoch.
»Mein erster Baseball«, sagte Vincent. »Den würde ich gerne behalten.«
Sie betrachtete das abgeschabte Spielgerät grimmig. »Das ist nicht gestattet.«
Schade , wollte Vincent sagen, aber er brachte kein weiteres Wort heraus. Seine Mutter hatte ihm den Ball gegeben, als sie ihn nach der Gerichtsverhandlung ein letztes Mal umarmt hatte. Die Gerichtsverhandlung, die keine halbe Stunde gebraucht hatte, um ihn in einer geradezu beiläufigen Weise zu fast zwei Jahren Haft zu verurteilen. Nur weil er eines der drei Autos seines Nachbarn benutzt hatte, um der Gefahr zu entgehen, umgebracht zu werden.
So betrachtet kein schlechter Tausch.
»Da«, hatte seine Mutter gesagt, während sie, in Tränen aufgelöst, den Ball aus ihrer Handtasche geholt hatte. »Den hab ich neulich gefunden. Den hat Bruce dir gekauft, weißt du noch?«
»Klar weiß ich das noch«, hatte Vincent gesagt. Weiß und groß war der Ball damals gewesen, ganz sauber, und man hatte alle Aufdrucke lesen können.
Er schien geschrumpft zu sein, als ihn nun die Beamtin hinter der Theke in Händen hielt. Abgeschabt war er, abgewetzt, viel benutzt. Klein war er und grau, von Schmutz, der nie wieder rausgehen würde. Eine Menge loser Fäden hingen heraus. Bruce und er hatten viel mit diesem Ball gespielt. Der Wärter im Untersuchungsgefängnis hatte nichts dagegen gehabt, dass er ihn mit in seine Zelle nahm.
»Ein Baseball«, sagte die Wärterin und legte ihn auch in den Kasten.
Dann ging es weiter: Ausziehen, Reinigung. Es gab Einzelduschen ohne Vorhänge, das Wasser war lauwarm, die Mienen der Wärter gleichgültig. Ein Arzt widmete jedem einen kurzen Blick und setzte dann seine Unterschrift auf das Eingabefeld eines tragbaren Tablett-Computers. An einer weiteren Stahltheke nahm man die Anstaltskleidung entgegen, Unterwäsche, Socken und einen blauen Overall, und zog sich wieder an.
Und am Schluss bekam man eine Art stählernen Ring ausgehändigt, den man sich unter Aufsicht zweier Wachbeamter um ein Fußgelenk legen musste, bis der Verschluss einschnappte.
»Das Ding enthält einen Chip, über den das System immer weiß, wo Sie sind«, erklärte einer der Beamten, ein blasser Mann mit vielen Muttermalen am Hals. »Wenn der Chip nicht mehr antwortet – was zum Beispiel passieren kann, wenn man versucht,
Weitere Kostenlose Bücher