Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
beobachtete sie dabei im Rückspiegel.
    »Ja«, sagte sie. Mit einer beiläufigen Bewegung steckte sie die Mappe weg, aber sie wirkte nicht, als schöpfe sie irgendeinen Verdacht.
    Leo ließ den Motor wieder an und nahm sich vor, künftig nicht mehr so neugierig zu sein.
    ***
    Schließlich kamen sie alle auf einmal an: Root, seinen unvermeidlichen Laptop in der Umhängetasche, verschnupft und verärgert über die Verspätungen der Bahn und dass er so lange in der Kälte hatte herumstehen müssen, und einen Moment später Sirona und Leo.
    »Wir müssen uns was anderes ausdenken«, sagte Sirona gleich aufgeregt und packte ihren eigenen Rechner aus. »Ich habe in der Zwischenzeit das Grundgesetz mal durchgelesen, und ich weiß nicht, ich glaube, wenn man eine Monarchie einführen wollte, das wäre verfassungsfeindlich, oder?« Sie sah Simon an. »Sie haben gesagt, wir dürfen nichts Verfassungsfeindliches anstreben, sonst schaffen wir es nicht auf den Wahlzettel, nicht wahr?«
    »Richtig«, sagte Simon.
    »Also.« Sie klappte ihren Rechner auf, der Schirm wurde hell und zeigte ein Textdokument, in dem sie sich offenbar Notizen gemacht hatte. »Es gibt einen Artikel im Grundgesetz, der es verbietet, wesentliche Änderungen daran vorzunehmen. Hier, Artikel 79, Absatz 3. Danach darf man die ersten zwanzig Artikelnicht verändern, darf nicht an der Unterteilung des Bundes in Länder rühren oder daran, dass die Länder bei der Gesetzgebung mitwirken 61 .«
    Simon nickte gelassen. »Ja. Diesen Artikel nennen Juristen die sogenannte ›Ewigkeitsklausel‹.«
    »Aber dagegen würden wir doch mit der Einführung der Monarchie verstoßen, oder?« Sirona blätterte in ihrem Text hoch. »Gut, die ersten zwanzig Artikel, das sind die Grundrechte. An denen gibt es ja nichts zu ändern. Aber ein Königreich von Deutschland – das könnte man doch so verstehen, dass die Bundesländer abgeschafft werden sollen, oder? Ich meine, nicht dass wir das explizit so sagen würden, aber es geht ja darum, auf diesen verdammten Wahlzettel zu kommen, nicht wahr? Es braucht nur jemand an entscheidender Stelle zu denken, dass wir das wollen, und schon kann er uns wegen verfassungsrechtlicher Bedenken stoppen. Und dann?«
    Root machte es sich umständlich auf dem Sessel bequem und zog geräuschvoll die Nase hoch. »Ist doch kein Problem. Dann eben Volksbewegung für Würdevolle Mutterschaft. Dagegen kann keiner was haben.«
    »Mann«, knurrte Alex. »Was hast du die ganze Zeit mit deiner würdevollen Mutterschaft? Ein Problem, oder was?«
    »Ich? Ich hab kein Problem. Ihr habt ein Problem. Ich hab bloß die Lösung.« Er kramte in seiner Tasche. »Kacke, bin ich durchgefroren. Wahrscheinlich hab ich mir ’ne Lungenentzündung geholt. Kann ich vielleicht ’n heißen Tee oder so was kriegen?«
    »Leo, verarztest du ihn?« Alex nickte seinem Bruder zu, worauf sich Leo gehorsam in Richtung Küche entfernte. »Herr König, was sagen Sie dazu? Sie sind der Fachmann.«
    »Unter Verfassungsfeindlichkeit versteht man, die freiheitlich-demokratischeGrundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen, sie abzulehnen oder durch andere Prinzipien ersetzen zu wollen«, erklärte Simon.
    »Was für andere Prinzipien zum Beispiel?«, wollte Sirona wissen.
    »Nun, das ›Führerprinzip‹ zum Beispiel, mit dem die Generation meiner Eltern ausgiebige und unangenehme Erfahrungen gemacht hat.«
    »Ach so.« Sirona sah vor sich hin, grübelnd, soweit man das unter all ihrer Schminke erkennen konnte. »Meinen Sie, es reicht, wenn wir ein ausdrückliches Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in unser Programm reinschreiben?«
    Simon musste schmunzeln. »Wissen Sie denn, was man darunter versteht?«
    Sie blinzelte, was bei ihren langen künstlichen Wimpern ausgesprochen dramatisch aussah. »Na ja … Freiheitlich ist ja klar. Dass man die Grundrechte hat. Menschenwürde, Unversehrtheit und so weiter. Und demokratisch – also, das heißt im Prinzip, dass sich das Volk seine Regierung wählt. Oder?«
    Er genoss es. Das musste Simon zugeben. Es kam selten genug vor, dass jemand etwas von ihm wissen wollte; dass er nicht gezwungen war, es dem Betreffenden mit allen Tricks des pädagogischen Waffenarsenals einzutrichtern. Und dann noch eine hübsche junge Frau … Doch, er genoss es.
    »Drei Stichworte sind in dem Zusammenhang wichtig«, dozierte Simon also gut gelaunt. »Erstens, der Ausschluss jeglicher Gewalt- oder Willkürherrschaft.

Weitere Kostenlose Bücher