Ein König für Deutschland
Personalabteilung weiß, dass ich verheiratet bin, aber nicht, mit wem .«
»Meinetwegen. Aber du kannst dich nicht darauf verlassen. Und wenn ich so mitkriege, was man heutzutage über das Internet alles herausfinden kann …«
»Zu unserer Zeit gab es das noch nicht mal. Was sollte da also stehen?«
Simon setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Telefonapparat an der Wand stand. »Ich weiß es nicht. Aber du weißt es auch nicht. Und im Grunde ist es ganz einfach: Je mehr Wirbel du um mich veranstaltest, desto mehr Leute werden auf die Idee kommen, irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Und je mehr Leute suchen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass jemand etwas findet.« Es war doch egal. Er hatte seine Ideen und Gedanken sein Leben lang für sich behalten. Es würde keine große Umstellung sein, das auch den Rest seiner Tage so zu handhaben. »Es wäre mir lieber, du unternimmst in dieser Sache nichts mehr.«
»Hmm«, machte Helene. Nach ein paar Augenblicken meinte sie mit merklich veränderter Stimme: »Ich muss sagen, ich bin ziemlich … Ich weiß auch nicht. Dass du dir meinetwegen Sorgen machst …«
Simon musste schlucken. »Ganz so ist es nicht«, versicherte er.
»Ja, schon klar«, erwiderte Helene. »Du versuchst nur, das Richtige zu tun. Ich weiß. Wie immer. Immer so vernünftig. Es hat mich eben begeistert, dass du mal etwas so Unvernünftiges tust, das ist alles. Wenn du’s genau wissen willst.«
Simon wurde das Gefühl nicht los, dass sich ihr Gespräch zusehends in eine ganz falsche Richtung bewegte. »Alles mit Maß und Ziel«, sagte er lahm.
»Da spricht jetzt wieder der Simon, den ich kenne.« Sie klang enttäuscht.
Es schmerzte Simon, das zu hören, aber er sagte sich, dass sie auch allen Grund dazu hatte, von ihm enttäuscht zu sein. »Engagier dich nicht mehr in dieser Geschichte«, sagte er. »Bitte.«
»Das muss ich mir noch überlegen«, erwiderte sie spitz. »Unseren Verkaufszahlen hat es nämlich gutgetan, und das ist im Zweifelsfall das stärkere Argument.« Im Hintergrund hörte man ein Geräusch, eine Tür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde oder dergleichen. »Ich muss los«, sagte Helene, »die Budgetkonferenz beginnt gleich. War schön, von dir zu hören. Mach’s gut, tschüs!« Damit legte sie auf.
Simon blieb noch eine Weile sitzen, den Hörer in der Hand, in dem es leise tutete – ein Geräusch, das seine stille, leere Wohnung noch stiller und leerer wirken ließ –, und kämpfte gegen das überwältigende Gefühl an, ein verfehltes Leben gelebt zu haben, ein Leben ohne jede Bedeutung.
Ihre Stimme. Die hatte ihn ganz durcheinandergebracht. Helene klang immer noch genauso wie früher, und das rief alle möglichen Erinnerungen wach. Nicht zuletzt an jenen entscheidenden Moment, in dem er versagt hatte. Hätte er damals das Richtige getan, dann wäre er in Philadelphia standhaft geblieben. Dann hätte er niemals einen unehelichen Sohn gehabt, der dann natürlich auch niemals ein dubioses Computerprogramm geschrieben hätte, das folglich auch nie in Form dieser CD in seinem Briefkasten gelandet wäre. Alles, was seither passiert war, hätte sich nie ereignet.
Simon seufzte. Eigentümlich, auf einmal dieses Spinnennetz aus Ursachen und Wirkungen zu sehen, in dem er sich verfangen hatte.
Er legte auf, und im selben Moment, in dem der Hörer wieder auf der Gabel lag, klingelte es erneut.
Er riss den Hörer wieder ans Ohr. »Ja?«
Es war nicht Helene, es war Alex.
»Jetzt interessiert sich das Fernsehen für Sie!«, verkündete er in einem Ton, als hielte er das für eine großartige Nachricht. »Wirhaben schon alles arrangiert; Termin, Location und so weiter. Ich hoffe jetzt bloß, Sie haben auch Zeit!«
***
»Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen«, wiederholte Alex zum mindestens dritten Mal. Er war, nachdem ihm Simon erklärt hatte, dass ihm die Sache nicht gefiele, eigens zu ihm rausgefahren, um ihn umzustimmen. »Ich kenne den zuständigen Produzenten, der das machen wird. Der hat schon öfter über unsere Alternate-Reality-Games berichtet, immer sehr positiv.« Auch das hatte er schon mehrmals erzählt.
Es sei nur die Landesschau. Die wolle einen kurzen Bericht bringen, drei bis fünf Minuten in der Sendung, die wochentags vor den Abendnachrichten lief. Den Beitrag zu drehen werde ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Höchstens einen halben Tag.
»Es gefällt mir nicht, dass das immer weitere Kreise zieht«, sagte Simon
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