Ein König für Deutschland
sondern dass ein anderer Plan dahinterstecke, den zu enthüllen die Zeit noch nicht reif sei.
»Verstehe«, meinte Bernd daraufhin mit schlauem Lächeln. »Ich schätze mal, das Ganze ist ein Trick, um überhaupt erst mal die Aufmerksamkeit zu erregen. Clever, mein Lieber, wirklich clever.«
Simon sagte nichts dazu, schenkte nur Wein nach, und bald bewegte sich ihr Gespräch wieder in vertrauten Gefilden, drehte sich wie üblich um Schüler, Kollegen und schließlich um das Bildungswesen und seine Miseren.
Am nächsten Morgen nahm sich Simon das Heft vor, das ihm Bernd mitgebracht hatte, und studierte die Leserbriefe. Sie stammten vorwiegend von männlichen Lesern, die das Magazin offenbar also auch hatte, und brachten vorwiegend Empörung zum Ausdruck. Das sei ja wohl ein schlechter Witz, schrieb einer, ein anderer nannte Simon einen »Clown«, ein dritter meinte eher amüsiert, es sei nicht nur erstaunlich, was für Freaksherumliefen, sondern fast noch mehr, dass man ihnen derart bereitwillig Gelegenheit böte, sich öffentlich zu produzieren. Einer schließlich war ein richtiggehender Monarchist, der die Idee, wieder einen König an die Spitze des deutschen Staates zu stellen, »im Prinzip hervorragend, wenn auch alles andere als neu« nannte – aber natürlich käme für eine derartige Position kein dahergelaufener No-Name infrage. Gerade in dieser Angelegenheit gehe es schließlich in erster Linie um den Erhalt von Traditionen, die sich in Jahrhunderten bewährt hätten. Es gälte, an nichts Geringeres als die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation anzuknüpfen, und hierfür kämen ausschließlich Vertreter traditionell hervorragender Familien infrage, allen voran das Haus Hohenzollern, das mit Wilhelm II. immerhin den letzten deutschen Kaiser gestellt habe.
Simon empfand den Tonfall dieser Briefe als verletzend, unabhängig davon, dass er sich sagte, dass das alles ohnehin nichts zu besagen hatte. Im Grunde, sagte er sich außerdem, war es doch mehr als beruhigend zu sehen, wie wenig Neigung in Deutschland bestand, zum Absolutismus zurückzukehren. Wobei er zu dem Geschichtsbild dieses Monarchisten einiges zu sagen gewusst hätte, was diesem wenig gefallen, dafür aber den historischen Tatsachen mehr entsprochen hätte.
In diesem Augenblick fiel Simons Blick auf das Impressum in der Spalte neben den Leserbriefen und auf eine der obersten Zeilen darin, die lautete Chefredakteurin: Helene Bergen.
Simon erstarrte.
Helene? Was hatte das zu bedeuten?
Er sprang auf, holte die übrigen Zeitschriften hervor, die man ihm zugeschickt hatte, schlug überall die Impressen nach.
Überall stand das Gleiche.
KAPITEL 34
H ättest du mir ab und zu ein bisschen zugehört«, erklärte Helene am anderen Ende der Leitung, »dann hättest du das gewusst. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, wo ich arbeite.«
»Du wirst nicht im Ernst erwarten, dass ich mir die Namen derartiger Zeitschriften merke«, verwahrte sich Simon.
Sie lachte auf; es klang eher schmerzlich als belustigt. »Keine Sorge, das habe ich nicht erwartet. Ich wollte nur klarstellen, dass mich keine Schuld trifft, okay?«
»Ich habe kein Wort von Schuld gesagt, ich wollte nur –«
»Ich wollte dir nur helfen«, unterbrach Helene ihn. »Wobei auch immer. Ich habe keine Ahnung, wie du auf so eine Idee gekommen bist. Aber ich wollte dir einfach helfen.«
Simon blickte unwillkürlich auf die Stelle neben der Wohnungstür, wo einst die beiden gerahmten Kupferstiche gehangen hatten, die Helene auf einem Künstlermarkt auf dem Schlossplatz gekauft und bei ihrem Auszug mitgenommen hatte. Er hatte den Flur später neu anstreichen lassen und war sich sicher, dass an den Stellen, an denen die Bilder gehangen hatten, keine Spuren mehr zu erkennen waren, doch jetzt gerade war ihm, als sehe er die ausgebleichten Ränder noch.
»Helene«, sagte er, »ich halte das für keine gute Idee. Weiß denn niemand, dass wir verheiratet sind?«
»Natürlich nicht.«
»Trotzdem. Es könnte herauskommen, und dann? Dann bekämst du jede Menge Schwierigkeiten.« Irgendwie musste er an Fuhrmann denken, der ihn, wie Bernd hatte erzählen hören, beim Rektor angeschwärzt hatte. »Es gibt immer einen, der einemam Zeug flicken will und dem alles recht ist, was er gegen einen verwenden kann.«
»Wie sollte das herauskommen?«, fragte Helene.
»Zumindest eure Personalabteilung dürfte Bescheid wissen. Das ist schließlich steuerlich relevant.«
»Unsere
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