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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Amen, aus. Ist doch simpel.«
    Alex warf ihm einen müden Blick zu. »Root, das ist gesponnen.«
    »Das ist nicht gesponnen, das ist Mathematik.«
    Mit einem mächtigen Ruck riss sich Alex aus dem Sessel hoch und knallte die Handflächen auf die Tischplatte. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass dieser Zantini wirklich Tausende von Wahlcomputern manipulieren kann? Tausende! Nie im Leben. Da müsste er schon ein richtiger Zauberer sein.«
    Das beeindruckte Root nicht im Mindesten. »Wieso? Wenn er das nicht kann, braucht er erst gar nicht in diese Art Geschäft einzusteigen. Dass es nicht reicht, nur ein paar Maschinen zu manipulieren, war doch von vornherein klar.«
    Alex begann, seine Schläfen zu massieren. Immer ein schlechtes Zeichen bei ihm. »Root«, knurrte er, ohne ihn anzusehen, »du nervst. Ich seh hier ein Problem, okay? Wir spielen ein Spiel, ich sehe ein mögliches Problem, also will ich nachdenken, was ich tun kann, damit es nicht eintritt, oder was ich tue, falls es eintritt. Ganz normale ARG-Routine. Die ›was tun wir, wenn‹-Liste. Okay?«
    Root hob ergeben die Hände. »Ja, schon gut.« An all der miesen Laune war natürlich nur dieses Weib schuld. Seit Sirona weg war, hatte Alex Liebeskummer. Und das, obwohl er noch nicht mal was mit ihr gehabt hatte.
    Wurde Zeit, dass ihm dämmerte, was für ein Spiel sie mit ihm gespielt hatte. Dass sie ihn nur benutzt hatte. Dass sie ihn am langen Arm hatte verhungern lassen.
    ***
    Wahrhaftig, ein Tag der Überraschungen. Helene hatte Frau Volkers getroffen und erfahren, dass sie es war, die sich um alle Kostüme dieser vielen jungen und nicht mehr so jungen Leute kümmerte! Frau Volkers aus dem zweiten Stock! Und sie hatte ihr angeboten, sie ebenfalls einzukleiden, sie herzurichten, wie es einer Königin gebührte …
    Ein Traum.
    Simon wollte, dass sie bis zu den Wahlen bei ihm blieb. »Danach wird das alles vorbei sein«, hatte er gesagt.
    Vorbei? Es tat ihr weh, sich das vorzustellen; dazu war die Szenerie viel zu hinreißend: die festlich gedeckten Tische in den herrlichen Speisesälen. Die anmutigen Mädchen in den weiten Reifröcken. Die in den Gärten rings um das Schloss flanierenden Paare, die ihr so freundlich begegneten, die in ihr die Königin sahen, einfach, weil sie es so wollten …
    Dass sich ab und zu Ritter und Landsknechte im Hof duellierten, das war natürlich ein Stilbruch. Genau wie die Fernsehleute, die überall zu sein schienen und nie in die Szenerie passten. Wie schafften die das eigentlich, sich nicht ständig gegenseitig ins Bild zu geraten? Sie hatten sie schon um Interviews gebeten. Königin Helene. »Königliche Hoheit«, wie sie ein junger Mann mit zwei Handys in den Taschen seiner Lederjacke allen Ernstes angesprochen hatte. Sie hatte ihn vertröstet, wie die anderen auch. Später. Vielleicht. Sie musste sich erst an all das gewöhnen; im Moment überforderte es sie.
    Aber ja, sie wollte bleiben. Sie wollte diesen Traum auskosten,wenn es schon nur ein Traum war, ein Spiel, ein überwältigendes Theaterstück. Königin Helene. Sie betrachtete sich in einer spiegelnden Glastüre, versuchte sich vorzustellen, wie ihr eine Krone stehen würde … Ein schmerzhaftes Sehnen zerriss ihr fast das Herz, ein Verlangen, es möge nicht nur ein Traum bleiben, sondern wahr werden, wirklich wahr werden, fortdauern, weitergehen. Natürlich, die Wahlen würden alles entscheiden, aber Wahlen, da wusste man nie genau, wie die ausgingen, oder? Deswegen war es ja notwendig, sie abzuhalten. Bei Wahlen konnte grundsätzlich alles passieren.
    Und Simon wirkte so souverän, so edel, so königlich … Sie konnte doch unmöglich die Einzige sein, die sich bei seinem Anblick fragte, ob ein König für Deutschland vielleicht gar nicht so schlecht wäre?
    Bloß konnte sie nicht einfach bleiben. Nicht ohne Weiteres, jedenfalls. Darum saß sie hier, im sogenannten »Roten Salon«, dem einzigen Raum im Schloss, der vollständig mit echt antiken Möbeln ausgestattet war. Der Besitzer des Anwesens, ein Industrieller, ein freundlicher älterer Herr, der Helene beim Mittagessen begegnet war, ihr einen Handkuss gegeben hatte – einen Handkuss! –, hatte sich diesen Raum bereits vor Jahren herrichten lassen, um hier Gäste zu empfangen.
    Helene saß über ihrem Terminplaner, ihr Telefon neben sich. Eine Menge Termine ließen sich verschieben, absagen oder jemand anderem aufhalsen, aber ein paar Dinge waren unaufschiebbar, wie man es auch drehte und wendete.

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