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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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unser ganzesLeben durchdringt. Sie beherrscht das Straßenbild unserer Städte, nimmt den größten Teil der meisten Zeitschriften ein und verfolgt uns bis ins Privateste. Und es ist kein Halt in Sicht – im Gegenteil, Werbung wird immer ausufernder, immer invasiver; ein regelrechtes Wettrüsten findet statt. Nicht genug, dass man unsere Städte mit Plakaten vollgestopft hat, nun traktiert man uns auch schon in der U-Bahn mit Fernsehspots: Was kommt als Nächstes? Wird man Werbebotschaften an den nächtlichen Wolkenhimmel projizieren? Ideen wie diese tauchen immer wieder auf. Wäre es technisch möglich, der Mond wäre längst rot angestrichen und mit dem Logo einer bekannten Brausefirma versehen, glauben Sie nicht auch?« Simon faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und hob das Kinn. »Deshalb werde ich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Werbung künftig grundsätzlich verbieten.« Einschränkungen wie »sollte ich die Wahl gewinnen« oder »falls ich König werde« ließ er längst unter den Tisch fallen. Seltsamerweise kam das, was er sagte, besser an, wenn er so tat, als sei seine Thronbesteigung schon ausgemachte Sache.
    In all der Unruhe, die seine Erklärung hervorgerufen hatte, hob sich eine Hand. Simon erteilte dem Mann das Wort.
    »Verzeihung, Königliche Hoheit«, rief der, »aber als jemand, der für einen Privatsender arbeitet, kann ich das nicht gutheißen. Private Fernsehanstalten finanzieren sich nun mal durch Werbung. Ihr Gesetz wäre das Aus für eine ganze Branche!«
    »Für Zeitungen und Zeitschriften gilt dasselbe«, rief eine Frau mit einer scharf geschnittenen Pagenfrisur. »Die Preise sind nicht zu halten ohne Werbung.«
    Simon beugte sich über das Mikrofon. »Diese Sachverhalte sind mir bekannt. Aber das, was dank Werbung scheinbar kostenlos ist, ist es ja nicht wirklich. Das, was es zum Beispiel kostet, mit langen Werbespots und teuren Druckschriften für ein neues Automodell zu werben, zahlen schließlich diejenigen, die dieses Fahrzeug kaufen, über einen entsprechend höheren Preis. Und so weiter. Hier muss einfach ein Umdenken erfolgen. Private Fernsehsender werden ein Programm anbieten müssen, für das Zuschauer bereit sind, zu bezahlen. Zeitschriften werden mehrkosten müssen, das ist richtig – aber andere Produkte, deren Preise einen hohen Anteil an Kosten für Werbung enthalten, werden dafür billiger werden können. Unter dem Strich bleibt Geld übrig, wenn wir die Werbung aus dem Spiel herausnehmen: genau das Geld nämlich, das es gekostet hätte, Plakate zu drucken, Fernsehspots zu produzieren und Anzeigenblätter in alle Briefkästen zu stopfen. Plakate, die uns die Sicht auf Häuser und Landschaften nehmen, wohlgemerkt. Fernsehspots, die uns irritieren. Anzeigenblätter, über die wir uns ärgern und die wir ungelesen in den Müll stopfen.«
    Allgemeines, aufgebrachtes Kopfschütteln, soweit er sah. Gut so.
    »Auf lange Sicht«, fuhr er fort, »wird sich das dahin entwickeln, dass jeder einfach genau für die Dinge zahlt, die ihm wichtig sind. Und das wird eine gesündere Situation sein als heute, wo Autokäufer Fernsehshows finanzieren, die ihnen vielleicht überhaupt nicht gefallen, und Parfümkäufer illustrierte Magazine, die sie gar nicht kennen.«
    Ein hagerer, ganz in Schwarz gekleideter Mann rief: »Und die Werbebranche selbst? Die hätte keine Zukunft mehr, oder? Die würden Sie damit plattmachen!«
    Simon musterte ihn, ein wenig ungehalten über die Wortwahl. »Wieso sollte eine Industrie erhalten bleiben, die nur dem Ziel dient, Menschen unzufrieden zu machen? Darin sehe ich keinen Sinn. Die Anstrengungen der hiermit Beschäftigten sind einer besseren Sache wert.«
    Aus dem Hintergrund des Rittersaals brandete Jubel auf. Sein angebliches Gefolge, diese jungen Frauen in Krinolinen oder Marlotten, mit Schutenhüten oder Rokokofrisuren, und die jungen Männer in Schoßröcken, mit Zopfperücken und Dreispitzen, sie jubelten ihm zu, riefen »Bravo!« oder »Es lebe der König!«, und sofort schwenkten die Kameras auf sie, wurden die Galgenmikrofone in ihre Richtung gedreht. Es war ein bizarres Durch- und Nebeneinander von alt und neu, von Tradition und Moderne, das sich Simon darbot: Könnte man doch nur das jeweils Beste aus allem miteinander kombinieren!
    Schade beinahe, dass nichts von dem, was er hier großmundig ankündigte, jemals Wirklichkeit werden würde. Aber wenigstens hatte er es einmal gesagt, war losgeworden, was sich im Lauf der Jahrzehnte an Ideen

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