Ein König für Deutschland
von Vorschriften zu versinken, für den nie irgendjemand verantwortlich ist. Sie haben die Nase voll davon, mit immer neuen Gesetzen bombardiert zu werden, ohne dass jemals darüber nachgedacht wird, ob die grundlegenden Konzepte eigentlich noch angemessen sind. Die Menschen hungern danach, dass endlich jemand all den Unfug ausmistet, der sich in Jahrzehnten angesammelt hat, und die Dinge vom Kopf auf die Füße stellt. Und König Simon ist so jemand. Sie haben gehört, wie klar er Sachverhalte beim Namen nennt und wie grundlegend er die Verhältnisse ändern will. Er ist die erste glaubwürdige Alternative zum etablierten politischen Zirkus seit Jahrzehnten, und deswegen haben die Menschen für ihn gestimmt. So erkläre ich mir das Wahlergebnis.«
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde an und machte sie, die angespannte Situation berücksichtigend, zum Eilverfahren. Der zuständige Zweite Senat ließ buchstäblich alles stehen und liegen, um die mündliche Verhandlung anzusetzen, in der die Entscheidungsfindung des Wahlprüfungsausschusses noch einmal aufgerollt wurde.
Anschließend berieten sich die Richter drei Tage lang. Karlsruhe glich in dieser Zeit einer belagerten Stadt; nach und nach schienen sich hier sämtliche Reporter Deutschlands zu versammeln, um in den Cafés und Restaurants herumzuhängen und über den Ausgang des Verfahrens Mutmaßungen anzustellen.
Dann endlich die Urteilsverkündung. Die Richter in ihren scharlachroten Roben mit weißem Jabot betraten den bis auf den letzten Platz besetzten Saal. Der Vorsitzende, zugleichVizepräsident, verlas den mit fünf zu drei Stimmen gefassten Beschluss: Die vorgelegten Beweise reichten nicht aus, die Wahl für ungültig zu erklären. Es gehe nicht an, Wahlgeräte für den Einsatz bei Bundestagswahlen zuzulassen, ja, sogar ein Gesetz hierfür zu verabschieden, die Zuverlässigkeit derselben Geräte aber genau dann anzufechten, ja, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, sobald einem ein Wahlergebnis nicht gefiele.
»Eine Wahl durchzuführen beinhaltet vorab die Entscheidung, sich an ihr Ergebnis zu binden. Das ist ein unverzichtbares demokratisches Grundprinzip.« Der Vizepräsident hob den Blick vom Blatt, musterte die anwesenden Reporter über den Rand seiner schwarz eingefassten Brille hinweg und fügte hinzu: »Oder anders gesagt: Man darf nicht einfach so lange abstimmen lassen, bis einem das Ergebnis gefällt.«
83 Auszug aus §3 Absatz 2 Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG): »Der Wahlprüfungsausschuss besteht aus neun ordentlichen Mitgliedern, neun Stellvertretern und je einem ständigen beratenden Mitglied der Fraktionen, die in ihm nicht durch ordentliche Mitglieder vertreten sind. Der Bundestag kann aus der Mitte einer Vereinigung von Mitgliedern des Bundestages, die nach der Geschäftsordnung des Bundestages als parlamentarische Gruppe anerkannt ist, zusätzlich ein beratendes Mitglied wählen.«
84 BWahlGV: Verordnung über den Einsatz von Wahlgeräten bei Wahlen zum Deutschen Bundestag und der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 1975 (BGBl. I S. 2459), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 20. April 1999 (BGBl. I S. 749)
85 Nach Artikel 2 Absatz 4 BWahlGV
86 gemäß §10 WPrüfG
87 gemäß §11 WPrüfG
88 Auszug aus Artikel 41 des Grundgesetzes:
Absatz 1: Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestags. (…)
Absatz 2: Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig.
KAPITEL 45
G eile Sache. Die meisten der Spieler, die jetzt in der Rolle von Abgeordneten in den Bundestag einzogen, kannten sich – nicht nur aus Chats, Foren oder anderen Online-Kontakten, sondern oft auch aus dem RL 89 . Die Eingangshalle des Reichstags war erfüllt von Ausrufen wie »Ach, du bist BrainTime ?« oder »Hey, ich hab dir letzthin den Kopf abgeschlagen, weißt du noch?«, und Spieler, die schon einmal gemeinsam an einem ARG 90 teilgenommen hatten, sammelten sich zu Grüppchen, um Erinnerungen auszutauschen.
Alle waren sich einig, dass das hier mit Abstand das geilste Spiel war, das Alex je veranstaltet hatte. Als das hochamtliche Schreiben von der Bundestagsverwaltung gekommen war, die jedem von ihnen ein Büro zuwies und um die Angabe der Bankverbindung zwecks Überweisung der Abgeordnetenbezüge bat – abgefahren! Und wie man sie hier empfing! Richtiggehend ehrfürchtig.
Mal abgesehen von den alteingesessenen Politikern der
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