Ein König für Deutschland
nicht stimmen. Und das muss mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats untersucht werden.«
Die erste Amtshandlung des Wahlprüfungsausschusses nach seiner Konstituierung 83 war, eine technische Überprüfung der verwendeten Wahlgeräte anzuordnen und Gutachten darüber anzufordern, inwieweit sie die Normen und geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfüllten oder eben nicht.
Die Ergebnisse waren durchweg nicht dazu angetan, die Zweifler zufriedenzustellen: Die Geräte entsprachen der Bauartzulassung gemäß Bundeswahlgeräteverordnung 84 , waren also, wie vorgeschrieben, baugleich mit dem ordnungsgemäß durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt geprüften Modellgerät, auf das sich die Zulassung bezog. Die Überprüfung, deren Kosten übrigens die Besitzer der Geräte zu tragen hatten 85 , die jeweiligen Gemeinden also, die sie erworben und zum Einsatz gebracht hatten, ergab darüber hinaus, dass auch die Software in den EPROMs absolut identisch war mit der vom Hersteller ausgelieferten Version.
Mit anderen Worten: Es waren keine Unregelmäßigkeiten feststellbar.
»Das kann nicht sein«, entfuhr es einem Ausschussmitglied, das daraufhin wegen offenkundiger Befangenheit ausgetauscht werden musste.
»Fragen wir anders«, versuchte es der Ausschussvorsitzende, nachdem diese Kalamität ausgeräumt und wieder Ruhe eingekehrt war. »Fragen wir, ob es denkbar ist, dass es Unregelmäßigkeiten gegeben haben könnte , zu deren Aufdeckung die geltenden und angewandten Bestimmungen unter Umständen nicht ausgereicht haben.«
Auch hierzu traten sachverständige Techniker, Ingenieure, Hochschulprofessoren und Softwareentwickler in den Zeugenstand.
Im Prinzip, urteilten diese, waren die in Anlage 1 zur Bundeswahlgeräteverordnung genannten Richtlinien nicht nur sinnvoll, sondern auch vollständig, mit anderen Worten, sie ließen keineLücke für Manipulationen jedweder Art. Denn schließlich hieße es ja in Punkt 2.1 ausdrücklich, dass ein Wahlgerät so zu konstruieren sei, »dass eine Veränderung des technischen Aufbaus und bei rechnergesteuerten Geräten auch der installierten Software durch unbefugte Dritte nicht unbemerkt bleibt«.
Das sei in der Tat eine großartige Vorschrift, erklärte eine anerkannte Koryphäe auf dem Gebiet der Informatik. Wenn man sie verwirkliche, stünde die grundsätzliche Zuverlässigkeit des Systems außer Frage.
»Heißt das«, hakte der Ausschussvorsitzende nach, »es ist technisch ausgeschlossen, dass bei den Bundestagswahlen vom Sonntag eine Manipulation im Spiel war?«
Der Experte sah indigniert drein. »Das habe ich mit keinem Wort behauptet.«
»Aber Sie haben gerade erklärt –«
»– dass das eine schöne Vorschrift ist, genau. Bloß, die große Frage ist doch, wie man sie eigentlich umsetzt! In dieser Anlage zur Bundeswahlgeräteverordnung hat man sich eines linguistischen Tricks bedient, um ein unlösbares Problem als gelöst erscheinen zu lassen. Die gesamte Verordnung dient ja, kurz gesagt, nur einem einzigen Ziel: nämlich zu verhindern, dass Wahlen manipuliert werden, indem Wahl geräte manipuliert werden. Und was finden wir, wenn wir all das juristische Wortgeklingel weglassen, im Kern dieses Dokuments? Die simple Vorschrift, dass ein Wahlgerät so zu bauen sei, dass man es eben nicht manipulieren könne. Fertig. Aber kein Wort dazu, wie man das bewerkstelligen soll! Was kein Wunder ist, man kann das nämlich nicht.« Er warf die Verordnung mit einer verächtlichen Geste auf den Tisch des hohen Hauses. »Wissen Sie, woran mich das erinnert? An meinen vierjährigen Sohn. Der hat neulich eine Wunscherfüllungsmaschine gezeichnet. Eine wunderschöne, ausgefeilte Zeichnung, die genau erklärt, wo der Einschaltknopf sitzt, wo man das Gehäuse öffnen kann, wie die Stromkabel laufen und so weiter. ›Aha‹, habe ich gesagt, ›das ist ja interessant. Und wie erfüllt dieses Gerät Wünsche?‹ Worauf mein Sohn auf ein kleines Gebilde in der Mitte des Ganzen zeigt und erklärt: ›Das macht das hier.Das ist der Wunscherfüllungskristall. Der sendet Strahlen aus, die alle Wünsche erfüllen.‹ So ähnlich, meine Damen und Herren, funktioniert diese Verordnung.«
Diese ernüchternde Einschätzung wollte man durch Anhörung eines Professors für Sicherheitstechnik gegenprüfen.
»In der Tat ist beim Einsatz derartiger Geräte deren grundsätzliche technische Manipulierbarkeit nie mit endgültiger Sicherheit auszuschließen«, meinte dieser umständlich,
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