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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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interessieren würde.
    »Habe ich ein Radio?« Alex sah Root an. »Haben wir?«
    Der deutete auf ein in die Wand eingebautes Gerät, topmodisch und so dezent gestaltet, dass man fast nichts davon sah.
    »Okay«, sagte Alex zu Sirona, »ich hab ein Radio.«
    »Schalt es ein.«
    Bundeskanzler Alexander Leicht erhob sich folgsam, studierte die wenigen Tasten und Drehknöpfe und fand endlich den, der das Ding einschaltete. Getragene, klassische Musik erklang, beeindruckend rauschfrei.
    »UKW. Gut«, sagte Sirona. »Jetzt geh ans untere Ende der Skala.«
    Alex drehte, durchquerte sonore Berichte, hysterische Telefonate, Schlager und Rockmusik und gelangte schließlich an einen Sender, der nur einen hohen, gleichbleibenden Pfeifton von sich gab.
    »Weißt du, was das ist?«, fragte Sirona.
    »Wird jedenfalls nicht mein Lieblingssender«, meinte Alex.
    »Ein Pager-Signal«, sagte Root, damit die Sache weiterging.
    Alex warf ihm einen irritierten Blick zu. »Muss mir das was sagen?«
    »Ein Pager, Pieper oder, wie der Fachausdruck lautet, Funkmeldeempfänger«, erklärte Sirona, »ist ein kleines Gerät, das man bei sich tragen kann, um sich per Funk alarmieren oder kurze Nachrichten übermitteln zu lassen. In den Achtzigern war das Hightech. Damals hat jeder wichtige Mensch so ein Ding am Gürtel getragen, und wenn du seine Pagernummer hattest – eine bestimmte Telefonnummer –, konntest du ihn anpiepsen, damit er dich zurückruft.« Sie deutete auf das Radio, das den Raum weiterhin mit konstantem Pfeifen erfüllte. »Das lief alles über diese Frequenz.«
    »Nutzt das etwa noch jemand?«, wunderte sich Root.
    Als wäre es abgesprochen, wurde der Pfeifton von einer kollernden Signalfolge unterbrochen.
    »Sieht ganz so aus«, sagte Sirona. »Das war gerade ein Beispiel. Jemand hat vor ein paar Sekunden die Nummer eines Pagers angewählt, der auf diesen Signalcode anspricht.«
    Sie lauschten eine Weile. Dieselbe kurze Melodie kam noch einmal.
    »Schön.« Alex schaltete das Radio wieder ab. »Und was hat das mit uns zu tun?«
    Endlich begann Sirona, ihre eigentliche Geschichte zu erzählen. Wie üblich kam sie dabei heftig ins Gestikulieren, rutschte auf dem Sessel hin und her, begleitet vom Rascheln und Knistern ihrer Kostümierung. Die Geschichte war die, dass sie bei der Chipfirma, bei der sie in der Entwicklung beschäftigt gewesenwar, mitbekommen hatte, wie dort ein Geheimprojekt aufgesetzt worden war. Davon erfahren hatte sie nur deshalb, weil ihr damaliger Freund – ein gewisser Friedhelm Fäustel – in die Sache verwickelt gewesen war.
    »Ich wusste nicht, was da lief«, beteuerte sie. »Er traf sich immer wieder mit einem der Vorstände, und nicht im Büro, sondern in irgendwelchen Kneipen, in der Sauna, auf dem Trimm-dich-Pfad … Mir kam das komisch vor. Friedhelm hat nichts darüber erzählt, nur, dass das seine Chance sei, es ganz nach oben zu schaffen. Aber ehrlich gesagt hatte ich den Verdacht, er macht mir was vor, und in Wirklichkeit steckt bloß eine andere Frau dahinter.«
    Der ehrgeizige Friedhelm habe irgendwann angefangen, sie mit Kurieraufgaben zu betrauen: Sie musste Briefumschläge irgendwohin bringen oder irgendwo abholen, Mappen mit Unterlagen in Bahnhofsschließfächern deponieren, bestimmte Nummern von bestimmten Telefonzellen aus anrufen und bestimmte Codeworte durchgeben.
    »Irgendwann hat am anderen Ende jemand gelacht, und ich dachte, das ist doch alles nur ein Spiel, das er für mich inszeniert; der verarscht mich einfach.« Sirona nestelte an ihrer Silberschlange, als habe sie vor, sie zu zerbrechen. »Mit der nächsten Dokumentenmappe bin ich in den Copyshop, habe alles kopiert, in einem Bankschließfach hinterlegt und Friedhelm ein Ultimatum gestellt: Entweder er sagt mir, was los ist, oder ich mach mit den Kopien irgendwas – veröffentliche sie, bringe sie zur Polizei, egal.« Sie atmete tief durch. Es war unter all ihrer Schminke schwer auszumachen, aber man hatte den Eindruck, dass sie blass geworden war. »Er hat gesagt, ich hätte keine Ahnung, mit wem ich es hier zu tun habe; wenn irgendjemand erführe, dass ich diese Unterlagen gesehen habe, sei ich so gut wie tot. Und dann hat er gesagt, er fände mein Verhalten unmöglich und es sei aus mit uns.«
    »So ein Arschloch«, knurrte Alex.
    Sirona schien ihn nicht zu hören. »Am nächsten Tag hat man mir gekündigt. Fristlos. Mit dem vollen Programm – Schreibtischausräumen unter Aufsicht, vom Sicherheitsdienst aus dem Haus

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