Ein König für Deutschland
begleitet werden und so weiter. Noch in derselben Woche kriege ich mit, dass die ganze Abteilung als eigenes Werk ausgegliedert und verlegt wird, in die Slowakei. Und dass Friedhelm der neue Werksleiter wird.«
»Sieh an«, meinte Root.
Sirona hatte fluchtartig das Weite gesucht, mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben wollen. Schließlich war sie nach Wiesbaden gezogen, um den Job bei der Firma für biometrische Identifizierung anzunehmen, den sie gehabt hatte, als Root und Alex ihr das erste Mal begegnet waren. Bei einem »Elfentanz«-Wochenende war das gewesen, bei dem sie eine geradezu unglaubliche Elfe abgegeben hatte.
»Aber ich bin das irgendwie nicht losgeworden«, fuhr sie mit tonloser Stimme fort. »Es ist kein Tag vergangen, ohne dass ich mich gefragt habe, was das eigentlich für eine Geschichte war.«
»Was ist mit den Unterlagen passiert?«, wollte Alex wissen. »Die du kopiert hast?«
»Die hab ich noch. Ich bin nur nicht schlau daraus geworden. Erst als Biometrics pleiteging – kurz nachdem wir das mit der Partei aufgezogen hatten – und ich wieder auf Jobsuche war. Da ist mir jemand von früher begegnet, der ein bisschen was wusste über das, was seinerzeit gelaufen ist. Mit dem, was er mir erzählt hat, habe ich die Unterlagen endlich verstanden.« Sirona legte die Hände wie zu einem Gebet zusammen. »Man hat damals begonnen, einen besonderen Chip zu entwickeln, unter dem Codenamen TWIN. Auftraggeber waren private Investoren aus der Hochfinanz. Alles superstreng geheim. Wenn die zu Sitzungen kamen, durfte keiner der Angestellten in der Firma sein, weil die nicht gesehen und vor allem nicht erkannt werden wollten. So hat er das zumindest erzählt.«
»Und was ist das für ein Chip?«, fragte Alex.
»Eine Art Doppeldecker-Chip. Ein Speicherchip, der zwei identische Kerne enthält.« Sirona blickte Root an. »Du weißt das natürlich – der eigentliche integrierte Schaltkreis in so einemDing ist winzig; der größte Teil des Chips dient der Kühlung und enthält nur Anschlussleitungen, die zu den Beinchen führen.«
Root nickte.
»Es ist also vom Platz her kein Problem, zwei integrierte Schaltkreise in einem Chip unterzubringen«, fuhr Sirona fort. »Zwischen denen man umschalten kann. Das war der springende Punkt dabei.«
Alex sah unwillig drein. »Und wozu soll so etwas gut sein?«
»Überleg einfach.« Sirona lächelte hintergründig. »Wozu könnte so etwas gut sein?«
Mehr sagte sie nicht. Sie saß nur da, sah sie beide an und wartete ab.
»Zum Beispiel«, schlug Root endlich vor, »um Wahlcomputer zu manipulieren. Ein Deck des Chips enthält das Originalprogramm, das andere das manipulierte. Am Wahltag ist das manipulierte Programm aktiv, danach – zum Beispiel, wenn die Geräte technisch überprüft werden – das originale.«
»Und wie schaltet man um?« Alex schüttelte den Kopf. »Tausende von Maschinen, wohlgemerkt?«
Sirona deutete auf das Radio in der Wand. »Damit.«
Alex begriff nicht, sah Root Hilfe suchend an.
»Der Chip reagiert auf das Pagersignal?«, vergewisserte sich Root.
»Überall, wo es zu empfangen ist.«
»Heißt das, man muss nur die richtige Telefonnummer wählen, und alle Wahlcomputer im Land schalten um?«
Sirona hob die fliederfarbenen Augenbrauen. »Einfach, nicht wahr?«
***
Leo kam es vor, als spüre er die Verlassenheit des Schlosses. Es fühlte sich an, als habe sich das Echo des Festlärms allmählich in den Fluren und Hallen verlaufen, bis schließlich Stille eingetreten war.
Wobei es nicht einfach nur still war, es war leblos. Nur in derKüche war noch eine Handvoll Leute beschäftigt, ansonsten lag das große Anwesen verlassen. Wenn man hier im Flur saß, meinte man sogar die Leere in den Sälen und Hallen zu spüren, denn fast alle Möbel waren inzwischen wieder abtransportiert worden, zurück zu den Leihgebern.
So war es immer eine willkommene Abwechslung, wenn Simon herauskam, um eine Weile bei ihm in dem dunklen Flur zu sitzen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln.
Nein, mehr als eine Abwechslung – eine Ehre. Leo ermahnte sich, diese Momente auszukosten, so gut er konnte. Vielleicht würde er den Rest seines Lebens von der Erinnerung an diese Stunden zehren müssen, in denen er das Privileg genoss, sich in aller Ruhe mit dem künftigen König von Deutschland zu unterhalten.
Deswegen musste er Simon das auch eines Tages fragen: Ob er sich denn weigern wolle, gekrönt zu werden.
Etwas in Leo verkrampfte sich, nachdem
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