Ein König für Deutschland
und im Endeffekt kamen alle zum selben Schluss: dass bei diesen Wahlen etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte.
Hier und da kam es zu Demonstrationen, von denen es aber die wenigsten in die Fernsehnachrichten schafften. Die meistenMenschen blieben, auch wenn sie skeptisch waren, zu Hause. Was konnte man schon tun? Die da oben machten doch sowieso immer, was sie wollten.
Und ob man nun einen Bundespräsidenten hatte oder einen König, was spielte das schon für eine Rolle?
Wobei … so mancher das mit dem König gar nicht so übel fand. Insgeheim.
***
»Also, das Admin-Passwort hat funktioniert«, berichtete Fernando am anderen Ende der Leitung.
»Hab ich doch gesagt«, meinte Vincent zufrieden. »Solche Passwörter werden nie geändert.«
Furry war aus dem Haus. Sie war ziemlich oft außer Haus, genau genommen, und meistens kam sie mit großen Einkaufstüten wieder. Woher sie das Geld dazu hatte, war Vincent unklar; es schien jedenfalls kein Problem zu sein.
»Ich hab dann alle Protokolle gesichtet, genauso, wie du es gesagt hast, mit sämtlichen Tools«, berichtete Fernando weiter. »Bloß … Okay, es gab natürlich Anrufe aus Europa, aber da war keiner darunter, den ich nicht eindeutig hätte zuordnen können. Kein einziger.«
Vincent fühlte milde Verzweiflung. »Was ist mit ihrem Mobiltelefon?«
»Da hab ich die Abrechnungen überprüft. Von Hand«, fügte Fernando mit leichtem Vorwurf in der Stimme hinzu. »Auch nichts. Ich weiß allerdings nicht, ob sie noch ein privates Telefon hat.«
Vincent überlegte. Das konnte natürlich sein, aber wie sollte er da rankommen? »Gibt es sonst irgendwelche Spuren? Schau dich doch mal um. Hat Zantini vielleicht mal einen Brief geschrieben, eine Postkarte, eine E-Mail …?«
»Wenn irgendwann irgendwo was in der Art aufgetaucht wäre, dann wüssten wir das. Die Sekretärinnen interessiert praktisch nichts anderes.«
Vincent seufzte. »Okay. Danke jedenfalls.« Er legte auf.
Ein Räuspern ließ ihn herumfahren. Furry! Sie stand in der Tür seines Arbeitszimmers, trug wieder nur ein T-Shirt, und der Pelz entlang ihrer Arme schimmerte dunkel.
»Sorry, ich wollte nicht mithören«, sagte sie. »Ich wollte dich nur fragen, ob du mitisst, wenn ich Enchiladas mache.«
»Enchiladas?«, wiederholte Vincent, immer noch durcheinander vor Schreck.
Furry verschränkte die Arme. »Du suchst Zantini, nicht wahr?«
Vincent nickte nur.
»Wo der ist, weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, wo Pictures war, bevor er … mir gekündigt hat. Er hat mich mal angerufen, und damals war er in einem kleinen Dorf auf Sizilien. Er hat gesagt, dort seien die Leute so verschwiegen, als hätte man ihnen den Mund zugenäht; die würden einem noch nicht einmal verraten, wie spät es ist …« Sie hob die Schultern. »Wenn’s dich interessiert, kann ich dir genau sagen, wo das war.«
Vincent sah sie an und fragte sich plötzlich, wieso er je einen solchen Widerwillen gegen sie empfunden hatte. Eigentlich war es bewundernswert, dass sie einfach so unter die Leute ging, als sei nichts. Dass sie sich gefiel , wie sie war.
»Du bist gar nicht so übel«, sagte er.
***
Kanzler werden war nicht schwer – Kanzler sein dagegen sehr. Bei der ersten Bundestagssitzung hatten die Spieler, die sich auf einmal in der Rolle von Abgeordneten gefunden hatten, Alex alle noch aufs Wort gehorcht. Aber eben dass sie Spieler waren, hieß, dass sie reichlich Übung darin hatten, herauszufinden, wie die Spielregeln lauten und wie man sie zum eigenen Vorteil nutzen kann. Und wie das Spiel hier lief, hatten sie schnell begriffen. Und nun waren sie emsig dabei, sich untereinander zu verbünden und Alex mit Forderungen zu kommen.
Eine große Gruppe wollte etwa das Recht, Waffen zu tragen,in der nächsten Verfassung verankert sehen. Dieser Wunsch war zumindest verständlich: Jeder, der sich mit einiger Hingabe bei Mittelalterspielen engagierte, sah sich nur zu bald damit konfrontiert, dass ein Mann in deutschen Landen zwar die Rüstung eines Ritters anziehen durfte, wenn ihm das gefiel, dass er sich aber strafbar machte, sobald er auch dessen Schwert umlegte.
Ein kleinerer Kreis strebte an, die Todesstrafe wieder einzuführen. Wenn schon, denn schon, und zum Teufel mit den Weicheiern und Verbrecherverstehern, die heutzutage die Welt unsicher machten!
Aber das momentane Lieblingsprojekt einiger infantiler Gemüter lautete: Büstenhalter verbieten! Und zu Alex’ Entsetzen fand diese Schnapsidee
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