Ein König für Deutschland
unter dem Fußabtreter vor der Tür, und Vincent begriff überhaupt nichts mehr.
»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte er fassungslos. »Ich meine, es ist doch unmöglich, dass …« Wie war das gewesen? Er hatte eine Karte gezogen, eine beliebige Karte. Zantini hatte sie wieder in den Stapel getan, noch einmal gemischt. Und dann …
Irgendwie verhedderten sich seine Gedanken an dieser Stelle.
Zantini nahm ihm die Herz-Karten aus der Hand und fügte sie seinem Kartenspiel wieder hinzu. »Ein Magier verrät niemals seine Tricks, das habe ich Ihnen doch schon einmal erklärt.« Er richtete seinen langen, dünnen Zeigefinger auf Vincents Gesicht. »Hören Sie einfach auf, sich meinen Kopf zu zerbrechen. Sie machen das, was Sie am besten können, und ich das, was ich am besten kann, und alles wird gut werden.«
Vincent schluckte, dann schüttelte er den Kopf. »Ich mach das nicht. Ich hab keine Lust, je wieder vor einem Richter zu stehen.«
»Sie werden vor keinem Richter stehen.«
»Nein. Suchen Sie sich einen anderen.«
Es war unübersehbar, dass Zantini diese Art Widerspruch nicht leiden konnte. »Hören Sie zu, junger Mann«, sagte er, und mit einem Mal waren alle Jovialität und das ganze Gehabe des Entertainers verschwunden und hatten nackter, unverstellter Drohung Platz gemacht. »Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass ich einen gewissen Einfluss auf Ihre Chefin habe. Sie haben denTraumjob, das wissen Sie genau. Wenn Sie ihn behalten wollen, dann tun Sie besser, was ich Ihnen sage.«
»Sie wollen mich erpressen.«
»Erpressen! Was für ein Wort!« Zantini war nun wieder ganz der amüsierte Lebemann. »Hierzulande drückt man das doch viel eleganter aus.« Er strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den schmalen Clark-Gable-Schnurrbart und lächelte dünn. » Ich mache Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können. Nicht wahr?«
Vincent fehlten die Worte. Er würde das nicht tun, nein – er wusste bloß nicht, wie er das sagen sollte.
Aber seinen Job verlieren wollte er auch nicht. Steckte Consuela etwa mit diesem Halunken unter einer Decke?
Natürlich tat sie das. Einen Moment liefen Vorstellungen vor Vincents innerem Auge ab, was sich unter dieser Decke so abspielen mochte. Was so abging zwischen der kleinen Frau mit dem Temperament einer Dynamitladung und diesem ausgemergelten Snob von Zauberkünstler.
Letzterer hielt Vincents momentane Irritation für ein ernstes Abwägen des Für und Wider seines Ansinnens, und seine Laune hob sich. Er klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. »Denken Sie darüber nach. Und lassen Sie uns in den nächsten Tagen über die Einzelheiten reden.«
Damit ging er.
***
Zantinis Kartentrick ließ Vincent keine Ruhe. Um nichts in der Welt konnte er sich erklären, wie der Zauberkünstler das gemacht hatte – und das beeindruckte ihn mehr, als ihm lieb war. Fast so, als verfüge Zantini tatsächlich über Fähigkeiten, mit denen man sich besser nicht anlegte.
Dann kam er auf die Idee, sich mal im Internet über Zaubertricks schlauzumachen.
Es war eine halbe Stunde, in der er das Gefühl kennenlernte, dass einem die Augen übergehen können. Es gab Hobbyseiten,auf denen kleine Zaubertricks für Kindergeburtstage und dergleichen vorgestellt wurden. Es gab Versandhändler, die professionelle Tricks verkauften, Anleitungen samt dem zugehörigen Material. Websites, die die Tricks von David Copperfield und anderen prominenten Magiern enttarnten, und wenn man die Erklärungen las, konnte man nicht anders, als zu sich selber zu sagen: Ach so! So einfach?
Irgendwo fand Vincent ein Forum für Zauberkunst. Er meldete sich unter einem falschen Namen an, las ein wenig kreuz und quer und beschrieb schließlich in der Rubrik Kartenkunststücke so detailliert wie möglich, was Zantini – den er »ein Bekannter von mir« nannte – vorgeführt hatte. Ich würde gern verstehen, wie er das gemacht hat , schloss er sein Posting. Alle Hinweise herzlich willkommen.
Ganz einfach , konnte er nach kaum zwei Stunden als Antwort lesen. Zunächst hat sich Dein Bekannter Zutritt zu Deiner Wohnung verschafft, als Du noch nicht da warst – Schlösser zu knacken ist wahrhaftig keine Zauberei! –, und sämtliche Herzkarten eines Kartenspiels so versteckt, dass sie nicht offen sichtbar waren. (Wäre im Lauf des Abends irgendetwas dazwischengekommen, sodass er keine Gelegenheit gehabt hätte, seinen Trick vorzuführen, wäre er einfach am nächsten Morgen wiedergekommen, sobald Du
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