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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Impuls, eins der Kissen zu packen und quer durch den Raum zu schleudern, mit aller Gewalt und einem geradezu unmenschlichklingenden Schrei, aus einer Tiefe seiner selbst dringend, von der er nie geahnt hatte, dass es sie gab. Er erschrak über sich und den Laut, der da aus ihm herausgebrochen war. Das Kissen prallte mit einem dumpfen Geräusch gegen das Bücherregal und plumpste von da zu Boden.
    Simon verharrte, die Hand auf der Brust. Irgendwie hatte ihn der Ausbruch erleichtert, irgendwie aber auch noch mehr verstört. Er musste zur Ruhe finden. Er dachte an Situationen im Klassenzimmer, in denen er kurz davor gestanden hatte, auszurasten, und wie er sich doch immer wieder im Zaum gehalten hatte. Atmen, ruhig atmen, bis zehn zählen oder bis dreißig, die Wut hinausatmen, spüren, dass er sich entfernte von dem Punkt, ab dem es kein Halten mehr gegeben hätte.
    Was war geschehen? Abgesehen von allen Peinlichkeiten war geschehen, dass er der CD verlustig gegangen war, die ihm sein Sohn anvertraut hatte. Das Vertrauen, das Vincent in ihn gesetzt hatte, war unbegründet gewesen; er hatte die CD nicht einmal einen Tag lang schützen können.
    Mit anderen Worten, nun war es unumgänglich, Vincent anzurufen. Nun, da das, was sein Sohn hatte verhindern wollen, passiert war, war die diesbezügliche Anweisung bestimmt gegenstandslos.
    Und verdammt noch mal, durchfuhr es Simon, er wollte jetzt endlich wissen, was hier eigentlich gespielt wurde!
    Er kramte die letzte Postkarte heraus, die ihm Vincent geschickt hatte. Sie zeigte die »beautiful landscape of Ovideo, FL « , behauptete der gedruckte Text, wobei das, was auf der Karte abgebildet war, in Simons Augen jede beliebige amerikanische Vorortsiedlung hätte sein können. Irgendwo im Hintergrund hatte Vincent ein Kreuz eingezeichnet, dazu einen Pfeil und » I am here « geschrieben, aber man sah überhaupt nichts außer Hausdächern, Palmen und Büschen und etwas Blau, das ein See sein mochte oder auch nicht.
    Jedenfalls, da war die Telefonnummer. Simon wählte, wartete. Es klingelte. Nach dem vierten Klingeln wurde abgehoben, und eine samtene Frauenstimme sagte: » Hello? «
    » Hello, my name is Simon König «, erklärte Simon. » I want to talk to Vincent Merrit, please. « Wer war das? Die Stimme war Simon völlig fremd. Nun ja, vermutlich Vincents Freundin.
    » I am very sorry «, sagte sie mit hörbarem Bedauern. » Vincent is not here. «
    » When will he come back? «
    » I don’t know. In fact, I don’t know where he is. «
    Vincent sei auf der Flucht, hatte die seltsame Frau heute in der Schule gesagt. Das widersprach dem zumindest mal nicht. Simon zögerte.
    » May I know with whom I am talking? «, fragte er.
    » I’m a friend «, sagte die samtene Stimme. » May I tell him something in case he comes back? «
    Irgendwas stimmte hier nicht.
    » Yes «, sagte Simon mit wachsendem Unbehagen. » Please tell him to call his father. As soon as possible. « Dann wurde der Impuls, das Gespräch zu beenden, übermächtig; er sagte nur noch » Thank you « und legte auf.
    Der Hörer unter seiner Hand war schweißnass.
    Vincent verschwunden. Auf der Flucht, tatsächlich. Nun half alles nichts, er musste Lila anrufen, musste es wenigstens versuchen. Er konnte –
    Es klingelte an der Tür.
    Simon rührte sich nicht. Kamen sie zurück? Unsinn. Sie hätten nicht geklingelt. Er rührte sich trotzdem nicht.
    Es klingelte noch einmal, und eine Faust klopfte gegen die Tür. »Herr König? Sind Sie in Ordnung?«
    Die Volkers. Simon verdrehte die Augen und öffnete. Widerwillig, aber was blieb ihm anderes übrig?
    »Ich habe gerade ein so seltsames Geräusch gehört«, erklärte die Frau halb atemlos. »Waren Sie das?«
    Simon seufzte. »Wahrscheinlich. Ich habe mir den Fuß angestoßen«, log er. »Den kleinen Zeh. Kann sein, dass ich da einen Schmerzlaut von mir gegeben habe.« Er sah auf seine Füße hinab. Er trug noch Schuhe. »Die hab ich sicherheitshalber angezogen«, fügte er lahm hinzu.
    Frau Volkers betrachtete ihn mit sichtlicher Irritation. »Ich dachte schon, es sei was passiert.«
    Simon starrte sie an, musterte die Hand, die auf ihrem mächtigen Busen lag und mit diesem heftig auf und ab wogte von all der Aufregung. Ein Gedanke kam ihm. »Haben Sie«, fragte er, »zufällig zwei Männer beobachtet, die vorhin das Haus verlassen haben?«
    »Zwei Männer?«, erwiderte Frau Volkers mit noch größerer Irritation.
    »Ein großer hagerer und ein sehr kleiner, ein

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