Ein König für Deutschland
Das Prinzip ist dasselbe: Sie erklären Ihren Wahlwunsch, indem Sie auf eine Taste drücken, und das Gerät behauptet, es habe Ihre Stimme registriert. Ob es das aber tatsächlich tut und wie – wassich da im Inneren weiter abspielt –, das können Sie nicht wissen. Niemand kann das.«
»Aber man kann einen Computer doch bestimmt so bauen, dass er –«
»Nein. Verstehen Sie, ein Computer ist eine Maschine zur Manipulation von Daten. Dafür ist er erfunden worden; das kriegen Sie nicht aus ihm heraus, sonst ist es kein Computer mehr. Das wäre so, als würden Sie ein Flugzeug umbauen wollen zu etwas, das nicht mehr fliegt: Dann ist es kein Flugzeug mehr. Und ein Computer ist nicht nur dazu da, Daten zu manipulieren, er ist auch dazu da, das mit hoher Geschwindigkeit zu tun. Klar, man kann auch herkömmliche Wahlen manipulieren. Ohne Frage. Eine Menge Diktaturen haben das vorgemacht. Aber so eine Wahlfälschung ist eine Heidenarbeit. Sie brauchen einen Geheimdienst dazu oder jedenfalls eine Menge Leute, die falsche Stimmzettel herstellen, Urnen verschwinden lassen und gefälschte Urnen an deren Stelle schmuggeln und so weiter. Und letzten Endes kommt es doch heraus, weil bei so vielen Leuten immer einer den Mund nicht halten kann. Wenn Sie dagegen Computer verwenden, reicht ein einziger Mensch, der die richtigen Passwörter kennt und Zugang zum System hat, um Millionen von Stimmen innerhalb von Sekunden zu verändern. Das ist der Unterschied.«
Simon blinzelte beunruhigt. »Aber was kann man dagegen tun? Ich meine, das ist nun mal der Zug der Zeit; immer mehr Dinge werden auf elektronischem Wege erledigt …«
»Aber es gibt Dinge, die man besser nicht elektronisch macht. Für die ein Computer das falsche Gerät ist«, sagte Root und hüstelte. »Seltsam, dass ausgerechnet die Computerfreaks das den Zivilisten erklären müssen.«
»Die Lösung ist einfach: Man bleibt bei Stimmzetteln aus Papier, auf die man Kreuze macht«, erklärte Sirona. »Das ist ein bewährtes Verfahren, bei dem man nichts falsch machen kann und dessen Ergebnisse nachprüfbar bleiben. Ganz einfach.«
Simon sah auf die rot karierte Tischdecke hinab, konzentrierte sich auf das, was er wirklich wissen wollte. Und das war das: »Was genau hat Ihnen mein Sohn geschrieben?«
Sirona faltete die Hände. »Er hat geschrieben, dass er auf der Flucht sei. Dass er mit einem gestohlenen Auto unterwegs sei und –«
»Mit einem gestohlenen Auto?«
»An seinen eigenen Wagen war kein Herankommen, und ohne Auto kommen Sie in den Staaten nicht weit. Er hatte wohl nur wenig Geld dabei, nicht genug, um sich einen Wagen zu mieten, nehme ich an. Er hat geschrieben, er sei in einem Motel, das seinen Gästen einen Internet-PC anbietet. Er hat geschrieben, dass er Ihnen eine CD mit diesem Programm geschickt hat, damit Sie es sicher verwahren, und dass ihm, seitdem er den Brief aufgegeben hatte, massive Zweifel daran gekommen seien, ob das eine gute Idee war …«
»War es nicht, in der Tat«, murmelte Simon.
»… deswegen hat er mich gebeten, Sie ausfindig zu machen und die CD an mich zu nehmen.« Sie faltete die Hände wieder auseinander, spreizte die Finger. »Er konnte mir Ihre Adresse nicht sagen, weil er sein Adressbuch nicht dabeihatte. Ich musste Sie über die Webseite der Schule ausfindig machen.«
»Sie hätten nur ins Telefonbuch zu schauen brauchen.«
»Das habe ich. Aber es gibt fünf Simon Königs in Stuttgart. Deswegen haben wir beschlossen, Sie in der Schule aufzusuchen.«
Simon dachte darüber nach, ob diese Geschichte stimmen konnte. Wahrscheinlich. Dass Vincent Briefe abschickte und es danach bedauerte, war nun weiß Gott nicht zum ersten Mal passiert.
»Wenn er sein Adressbuch nicht dabeihatte, woher wusste er Ihre E-Mail-Adresse?«
»Die ist leicht zu merken. Und wir stehen schon länger im Kontakt.«
Nun musste er sie doch ansehen. Was hieß das? Dass sie befreundet waren? Er musterte das maskenhafte Gesicht. Er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, wie alt diese Frau war. Sie hätte genauso gut achtzehn wie achtunddreißig sein können.
Er räusperte sich, sah wieder hinab auf die rot karierteTischdecke mit den zahllosen Spuren nur unvollständig entfernter Rotweinflecke. »Also, die Sache ist die: Ich habe die CD nicht mehr. Es ist jemand bei mir eingedrungen und hat sie gestohlen.«
Die drei gaben ein Stöhnen von sich, das unter anderen Umständen in seiner spontanen Einstimmigkeit erheiternd gewesen wäre.
»Wann war
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