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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hieven? Das klang mehr als obskur. Das klang nach verrückten Verschwörungstheorien, nach Science-Fiction, nach Hirngeburten von Leuten, in deren Leben nichts los war.
    »Ich muss Sie ein paar Dinge fragen«, begann Simon, während er die Dinge, die er zu fragen gedachte, in seinem Geist in eine vernünftig aussehende Reihenfolge zu bringen versuchte.
    »Nur zu«, sagte Sirona. »Dazu sind wir hier.«
    Seit ihm diese Frau am Tisch gegenübersaß, musste sich Simon anstrengen, sie nicht allzu genau anzusehen, weil er fürchtete, ins Starren zu geraten. Wie viel Schminke um alles in der Welt trugdiese Frau auf dem Gesicht? In dem Gang in der Schule war es schummrig gewesen, wahrscheinlich war ihm das deswegen nicht schon da aufgefallen. Zum Glück; Simon war sich nicht sicher, ob er es ansonsten noch über sich gebracht hätte, sie anzurufen. Sie war sozusagen vollverspachtelt, musste Schminke millimeterdick auf der Haut haben. Simon erinnerte sich an Bilder von Geishas, auf denen diese ähnlich maskenhaft ausgesehen hatten.
    »Wahlmaschinen«, wiederholte Simon das Stichwort. »Ich kenne die Dinger; bei der letzten Kommunalwahl habe ich auf so einem Gerät meine Stimme abgegeben. «
    »Und? Was war es für ein Gefühl?«, fragte Sirona.
    Simon zuckte mit den Achseln. »Ob man einen Knopf drückt oder ob man ein Kreuz auf ein Blatt Papier macht, letzten Endes geht es um die Stimme, nicht wahr?«
    »So denken die meisten«, bestätigte Root. »Das ist das Problem.«
    Simon versuchte, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. »Sie behaupten allen Ernstes, man könne so eine Wahlmaschine manipulieren?«
    »Ohne jeden Zweifel«, sagte Sirona.
    »Ich muss gestehen, dass es mir schwerfällt, das zu glauben. Immerhin leben wir in einem Land, das für seine Ingenieurskunst ebenso berühmt wie für sein Sicherheitsstreben berüchtigt ist. Deutschland hat den TÜV erfunden, den Crashtest bei Autos und so weiter. Ich gehe davon aus, dass hierzulande nur Wahlmaschinen zum Einsatz kommen, die man nicht manipulieren kann.«
    »Herr König«, sagte Sirona, »ich würde es vorziehen, wenn wir hier nicht von Wahl maschinen sprechen würden, sondern von Wahl computern . Denn um nichts anderes handelt es sich. Wenn Sie sich anschauen, wer sich gegen die Einführung von Wahlcomputern engagiert, dann werden Sie feststellen, dass es fast ausschließlich Leute sind, die beruflich mit Computern zu tun haben. Es sieht so aus, als seien diese Art Leute die einzigen, denen klar ist, dass man Wahlcomputer grundsätzlich nicht so bauen kann , dass sie nicht manipulierbar sind.«
    »Man kann sie noch nicht mal so bauen, dass sie weniger manipulierbar sind als Wahlzettel aus Papier«, fügte Root hinzu.
    »Das eben verstehe ich nicht«, meinte Simon und hob die Hand in dem Bestreben, die Diskussion nicht zu schnell werden zu lassen. Die drei jungen Leute strömten eine energiegeladene Ungeduld aus, von der er überwältigt zu werden befürchtete. »Man baut alle möglichen Maschinen, die allen möglichen Sicherheitsbestimmungen entsprechen. Das wird von jemandem geprüft und bestätigt, das wird ausgerechnet … Ein Hausbau zum Beispiel: Da wird jeder einzelne Bauplan von einem vereidigten Statiker auf Stabilität nachgerechnet; vorher nimmt kein Maurer auch nur einen Ziegelstein in die Hand. Und da wollen Sie mir erzählen, dass man, was die Fundamente einer Demokratie anbelangt – die Wahlen –, weniger Sorgfalt an den Tag legt als beim Bau einer Garage?«
    »Ja«, sagte Sirona knapp. »Weil es genau so ist.«
    Jetzt war es Alex, der sich nach vorn beugte und die Ellbogen breit nach den Seiten hinschob. »Stellen Sie sich vor, Sie gehen zur nächsten Bundestagswahl, und im Wahllokal sehen Sie, dass man anstelle einer Wahlkabine eine Art Beichtstuhl aufgestellt hat.« Er wirkte, als ob er öfter vor der Notwendigkeit stand, dummen Leuten schwierige Sachverhalte zu erklären. »Sie gehen hinein und sehen, dass auf der anderen Seite des Gitters jemand sitzt. Dem flüstern Sie den Namen der Partei zu, die Sie wählen wollen; daraufhin sagt die Person ›Danke, ich habe Ihre Stimme gezählt‹, und Sie gehen wieder hinaus. Wie sicher wären Sie sich, dass Ihre Stimme tatsächlich gezählt worden ist, und zwar so, wie Sie sie abgegeben haben?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Simon. »Das wäre ein lächerliches Verfahren.«
    »Aber genau das passiert, wenn Sie einen Wahlcomputer verwenden. Nur dass es kein Beichtstuhl ist, sondern eine Maschine.

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