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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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das?«, fragte Sirona.
    »Heute Nachmittag. Kurz bevor ich Sie angerufen habe.«
    »Haben Sie gesehen, wer es war?«
    »Ja. Ein hagerer Mann mit einem dünnen Oberlippenbart und ziemlich dünnen Fingern und ein … nun ja, ein Liliputaner. Ein Zwerg.«
    »Hatten Sie die CD denn nicht versteckt? Vincent meinte, er habe Sie darum gebeten.«
    Simon bemühte sich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck. Nie im Leben würde er diesen … Kindern erzählen, auf welche Weise dieser seltsame Mann das Versteck der CD gefunden hatte. »Ich hatte sie versteckt«, erklärte er, »aber offenbar nicht so gut, wie ich dachte.«
    Root ließ sich nach hinten fallen; die Lehne seines Stuhles knackste vernehmlich. »Okay«, sagte er. »Dann war’s das. Lasst uns einpacken und wieder heimfahren.«
    »Mann!«, fauchte ihn Sirona an. Es war wie ein Ausbruch. Dann wandte sie sich wieder Simon zu, als sei nichts gewesen. »Den hageren Mann hat mir Vincent auch beschrieben. Er heißt Benito Zantini und will aus der Wahlmanipulation ein Geschäft machen. Er will die bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen so manipulieren, dass im Landtag ein Patt entsteht – dass keine Partei regieren kann. Und dann will er seine Dienstleistung an den Meistbietenden verkaufen. Zumindest hat er das Vincent gegenüber behauptet.«
    Simon sah unbehaglich in die Runde. »Ich verstehe nicht, wieso Vincent bei so etwas mitmacht. Das ist doch illegal, oder?«
    »Ja, natürlich. Wahlbetrug ist illegal.«
    »Und wieso dieser plötzliche Sinneswandel?«
    Sirona bedachte ihn mit einem langen Blick, dann hob sie dieSchultern und meinte nur: »Keine Ahnung. Er hat es sich eben anders überlegt. Das Gewissen, wer weiß? Soll es ja geben.«
    Ja, das sollte es geben. Simon dachte an sein eigenes Gewissen und wie es ihn geplagt hatte, damals, als er aus den USA nach Hause gekommen war. Er hatte beschlossen, Helene nichts davon zu sagen, zu versuchen, die Affäre zu vergessen.
    Bis sie ihn dann eingeholt hatte.
    Eigenartige Sache, so ein Gewissen.
    »Wo ist Vincent jetzt«?, fragte er. »Ich würde gerne mit ihm reden.«
    Sirona wechselte einen Blick mit ihren Kumpanen, dann sagte sie leise: »Ich weiß nicht, wo er ist. Er hat versprochen, sich wieder zu melden, aber ich habe seit seiner Mail nichts mehr von ihm gehört.«

KAPITEL 23
    D ie Wände des Raumes bestanden aus schmucklosem Beton. An der Decke hing eine Leuchtstoffröhre, von einem Käfig aus dickem Stahldraht geschützt. Der abgeschabte Tisch, an dem sie saßen, und die beiden Stühle stellten das einzige Mobiliar dar.
    Nachdem Vincent erzählt hatte, was es zu erzählen gab, herrschte erst einmal Stille. Der Mann auf der anderen Seite des Tisches war ein breitschultriger Kerl mit graubraunen Locken und einem Bartschatten. Er trug einen grauenhaften braunen Cordanzug, dazu ein grünes Hemd, blätterte die vollgekritzelten Seiten seines gelben Blocks immer wieder vor und zurück und zerkaute sich fast die Unterlippe dabei.
    »Hmm«, machte er schließlich.
    Vincent räusperte sich. »Bruce, bitte – geht’s ein bisschen genauer?«
    Das veranlasste den Mann, endlich hochzusehen und Vincent anzublicken. In seinen Augen las Vincent tiefe Sorge. Wenn nicht sogar Angst.
    »Als mich deine Mutter angerufen hat«, sagte er leise, »habe ich alles stehen und liegen lassen und bin sofort hergekommen.«
    Vincent nickte. »Ja. Danke.«
    »Ich dachte ehrlich gesagt aber, dass es sich um eine Lappalie handelt«, fuhr der Mann fort, der Bruce Miller hieß und einmal mit Vincents Mutter zusammen gewesen war. Vincent war damals sieben oder acht Jahre alt gewesen und Bruce einer der wenigen Männer, bei denen er sich gewünscht hatte, er möge bleiben. Bruce hatte ihm einen Baseballhandschuh gekauft und mit ihm gespielt, ihm unermüdlich die Bälle zugeworfen, stundenlangund bei jedem Wetter. Sie hatten sich gemocht, von Anfang an. Bruce war auch der einzige von Mutters zahlreichen Partnern, der den Kontakt zu Vincent noch etliche Jahre gehalten hatte, der ihn ab und zu angerufen und sogar an seinen Geburtstag gedacht hatte.
    »Das mit dem Auto tut mir auch leid«, sagte Vincent. »Ich dachte irgendwie, dass das vielleicht … na ja, Notwehr ist oder so. Ich meine, ich musste fliehen, okay? Die hatten mich in meinem eigenen Haus eingesperrt, und ich weiß nicht, was die mit mir gemacht hätten, wenn –«
    »Das habe ich schon verstanden«, unterbrach ihn Bruce. »Aber mit dem gestohlenen Auto von Florida bis Pennsylvania zu

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