Ein König für Deutschland
Gemeinschaftskunde. Und Sie?«
»Personenschutz«, sagte der breitschultrige Mann, den Simon nicht älter als zweiundzwanzig schätzte. »Ich bin bei einer Sicherheitsfirma.« Er hob die Schultern. »Klingt aufregender, als es ist. Man sieht eine Menge berühmter Leute aus der Nähe, klar, aber die meiste Zeit steht man, ehrlich gesagt, nur herum.« Es klingelte wieder. »Das wird Sirona sein«, sagte Leo und erhob sich, blieb jedoch stehen, als von vorn die Geräusche nackter Füße zu hören waren, die über den Parkettboden eilten.
Alex öffnete selber.
»Ist Sirona seine Freundin?«, fragte Simon leise.
Leo setzte sich wieder. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Das hätte er gern. Aber ich fürchte …« Er schüttelte den Kopf und ließ den Satz unbeendet.
Nun kamen sie alle drei. Sirona erschien diesmal als eine Art Märchenfee: Sie trug einen bauschigen Hüftrock aus weißem Tüll, ein tiefblaues Jackett mit Rockschößen, die ihr bis zu den Kniekehlen reichten, und eine Art Heiligenschein im hochtoupierten Haar. Erstaunlich, dachte Simon, dass sich jemand traute, in einem solchen Aufzug durch die Stadt zu gehen. Roots aktuelles T-Shirt war knallgelb und trug die Aufschrift Lieber Neid als Mitleid .
»Wir haben ein bisschen Stress«, erklärte Alex, ohne so zu wirken, als wisse er, was wirklicher Stress war. »Nächstes Wochenende veranstalten wir ein Mittelalterfest in der Eifel, mit Ritterturnier und allem Pipapo, und da haben wir noch jede Menge Trouble mit den Behörden. Ich sag nur: Waffen! Gehen Sie malmit einem Schwert am Gürtel durch eine deutsche Stadt: Sie glauben nicht, gegen wie viele Paragrafen Sie damit verstoßen.«
»Online kracht’s auch grad gewaltig«, fügte Root hinzu, einen tragbaren Computer locker unter dem Arm.
»Aber hoffentlich nicht wieder im Elfenland?«, fragte Sirona, während sie Simon die Hand gab. Was immer dieses Elfenland war – Simon konnte sich darunter nichts vorstellen –, sie schien persönlich davon betroffen zu sein.
»Volle Punktzahl. Der Typ, der gefälschte Zaubersprüche verkauft, ist wieder aktiv. Muss ein echtes Genie sein, dass der meine Verschlüsselungen knackt.«
»Hört, hört«, meinte Alex grinsend.
Sie machten sich über die Brote her, die Leo vorbereitet hatte. Es gab ein wenig Gekabbel, weil nur Leo und Simon dem Wein zusprachen, während die anderen Cola bevorzugten, dann begann Sirona von ihren Erlebnissen als Wahlbeobachterin zu erzählen. »Die Wahlhelfer waren alle vorgewarnt. Die hatten Anweisung, uns von den Geräten fernzuhalten, nicht mit uns darüber zu reden, keine Kommentare abzugeben und so weiter. Das war nicht zu übersehen, und inzwischen steht auch ein Foto im Netz, das einer von einer anderen Gruppe von dem entsprechenden Brief gemacht hat. Verwackelt, aber deutlich zu lesen. Okay, manche waren locker, haben das nicht so eng gesehen, aber manche … Pff, ich sag’s euch. Als wären wir auf die Kronjuwelen aus gewesen.« Sie verdrückte ein Brötchen nach dem anderen. »Hmm, die sind klasse. Leo, super.«
Leo lächelte geschmeichelt.
»Eins ist ganz eindeutig«, fuhr sie kauend fort, »das Argument, dass man weniger Leute braucht, wenn man Wahlcomputer einsetzt, ist falsch. In Heiligenrode 51 hat uns das ein Mann vom Wahlvorstand klipp und klar gesagt: Er spart keinerlei Personal ein; um eine Wahl ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen, braucht er mit oder ohne Computer genau gleich viele Leute. Wobei er Computer generell doof fand. Er hat auch gesagt, dass ältere Leutedamit schlecht zurechtkommen. Der einzige Vorteil, den er sieht, war, dass bei Kommunalwahlen weniger Fehler vorkommen.«
»Wie das?«, wunderte sich Root.
Sirona goss sich Cola nach. »Kommunalwahlen sind oft ziemlich kompliziert. Da hast du zum Beispiel zehn oder fünfzehn Stimmen, die du auf die Wahlvorschläge verteilen kannst – das nennt man ›Kumulieren und Panaschieren‹ –, und du darfst dich nicht verrechnen, sonst ist dein Stimmzettel ungültig. Ein Wahlcomputer zählt da natürlich mit und sagt dir immer, wie viele Stimmen du noch vergeben kannst.«
»Klingt tatsächlich wie ein Vorteil«, meinte Alex.
»So ziemlich der einzige.« Sie schien endlich satt zu sein, wischte sich die Finger an einer Serviette ab. »Ansonsten jede Menge Pannen. Ein Wahlleiter hatte offenbar die Schulung verpennt, was ihm seine Leute unüberhörbar unter die Nase gerieben haben; eine Wahlhelferin hat ein Stimmenmodul einfach in
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