Ein König für San Rinaldi
erkannt, dass du eine gute Königin wärst. Du kannst für diese Insel vieles erreichen. Gemeinsam könnten wir die Bevölkerung in eine bessere Zukunft führen. Ich kann und werde jedoch nicht zulassen, dass dein Kind in mir seinen Vater sieht. Am besten hältst du es von mir fern, ich möchte es nicht sehen. Es würde mich nämlich immer daran erinnern, warum ich dir misstrauen muss.“
Innerlich hatte Kadir lange mit sich gekämpft und zu entscheiden versucht, was richtig und was falsch war. Er hatte sich eingestanden, dass Natalia ihm viel bedeutete und er sie an seiner Seite wissen wollte. Dennoch überwältigte ihn die Wut. Wie konnte Natalia versuchen, ihm ein Kind unterzuschieben?
„Du hast die Wahl“, sagte er abschließend und stand auf.
„Und wenn ich mich weigere?“ Sie konnte kaum sprechen, weil ihr Mund wie ausgetrocknet war. „Kadir, bitte, du sprichst hier von deinem Kind. Ich schwöre dir, dass ein DNA-Test deine Vaterschaft einwandfrei bestätigen wird. Du kannst den Test persönlich überwachen.
Kadir“, fügte sie eindringlich hinzu, „du bist mit einem Vater aufgewachsen, der dich ignoriert hat. Du weißt, wie sehr ein Kind darunter leidet!“
„Verlange nicht von mir, mit einer so großen Lüge zu leben“, wehrte er ab. „Ich möchte und werde nicht lügen. Dieses Kind kann nicht von mir sein. Ich schlafe heute Abend nebenan.“
Sobald sich die Tür zu seinem Ankleidezimmer hinter ihm schloss, ließ Natalia sich in die Kissen sinken.
Kadir bot ihr an, was sie sich immer gewünscht hatte. Aber der Preis war zu hoch. Auf jeden Fall würde sie verhindern, dass er ihr gemeinsames Kind nicht anerkannte. Sie konnte ihn allerdings schlecht zwingen, diesem Kind oder ihr seine Liebe zu schenken.
Wäre sie bloß nicht nach Venedig gereist! Dann hätten sie sich erst auf San Rinaldi kennengelernt. Dann wäre ihr das alles jetzt erspart geblieben.
Es hatte keinen Zweck, ihm weitere Fragen zu stellen. Weshalb Kadir ihr Wort anzweifelte und alles ablehnte – seine Frau und sein Kind –, war Natalia klar. Er vertraute keiner Frau, das Misstrauen war tief in ihm verwurzelt.
Sie ließ nicht zu, dass er ihren gemeinsamen Sohn oder ihre Tochter bestrafte. Nur weil Kadir in seiner Kindheit gelitten hatte!
Wenn er dieses Baby ablehnte, würde sie dafür sorgen, dass zumindest ihre Familie es mit Liebe überschüttete. Mit aller Kraft würde Natalia ihr Kind beschützen, wie auch immer Kadir sich verhielt. Daran hielt sie fest, selbst wenn sie selbst für immer auf die Liebe ihres Mannes verzichten musste.
12. KAPITEL
Das Wetter auf San Rinaldi war selten schlecht. Nun tosten Stürme über die Insel und peitschten die Wogen des Meeres gegen die Küsten. Der sonst strahlend blaue Himmel war dunkelgrau.
Natalia blickte aus dem Fenster und sah auf dichte trübe Wolken. Wenn sie an ihre Zukunft und die ihres Kindes dachte, sah sie schwarz.
Eigentlich wollte sie an diesem Vormittag einige Ansprachen ausformulieren. Ursprünglich hatte sie geplant, über die vielen Möglichkeiten zu sprechen, die jungen Familien auf San Rinaldi offenstanden. Doch im Moment fand Natalia keine Worte, um den Müttern Mut zu machen.
Sie konnte nur an das arme Kind denken, das in ihr heranwuchs. Von seinem Vater würde es nie geliebt werden. Wie sollte es da irgendwann ein glückliches Leben führen und seinen Platz in der Welt finden?
Sollte sie über diese Themen sprechen? Über unerwünschte Kinder, die ohne Liebe aufwuchsen und deren Gefühle von Anfang an verletzt wurden? Selbst die schönsten Zukunftsvisionen, die Natalia für San Rinaldi in den Sinn kamen, hatten diesen Kindern nichts zu bieten.
Seufzend klappte sie den Laptop zu, mit dem sie gearbeitet hatte, und stand auf. Kadir würde heute die Weingärten der Insel besichtigen. Natalia dagegen hatte an diesem Tag keine offiziellen Termine. Darum musste sie sich nicht besonders zurechtmachen. Unter einer hellgrünen Tunika trug sie zu einem weich fallenden schwarzen Rock ein weißes langärmeliges Top. Natalia mochte dieses Outfit, das von einer nationalen talentierten jungen Designerin entworfen worden war.
Während sie sich über den Arm strich, fiel Natalia ein, wovon sie vor einiger Zeit geträumt hatte. Sie wollte eine Kunsthochschule gründen, die Sponsoren, Lehrer und Studenten aus der ganzen Welt anlockte.
Als sich die Tür öffnete, drehte Natalia sich um und stockte.
Zahra trat ein und blieb stehen. Sie war der letzte Mensch, den Natalia
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