Ein König für San Rinaldi
haben viel gemeinsam. Sie sind energisch und unabhängig, eben echte Fierezzas.“
Natalia konnte nur zustimmen. Und ihren Mann zeichnete außerdem etwas Besonderes aus, das er von seiner Mutter hatte.
Ein verträumtes Lächeln umspielte ihre Lippen bei der Erinnerung an die sinnlichen Momente, die sie mit ihm erlebte. Anfangs hatte Kadir darauf bestanden, wegen des Babys sehr vorsichtig zu sein. Natalia hatte ihm wiederholt versichert, dass nichts passieren konnte. Und in der vergangenen Nacht hatte er sich von ihrer Leidenschaft mitreißen lassen.
Seine Zärtlichkeiten waren wundervoll. Auch wenn sie an diesem Tag erschöpft war, rieselte ihr bei dem Gedanken daran ein wohliger Schauer durch den Körper. Auf der Haut spürte sie noch Kadirs heiße Küsse, mit denen er sie verwöhnt hatte.
Immer wieder fand er ihre empfindsamsten Stellen, als könnte er ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Irgendwann hatte Natalia die Selbstbeherrschung verloren und vor Verlangen nach ihm aufgestöhnt. Kadir war in jeder Hinsicht ein ganzer Mann, ihr Mann. Das hatte er eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und sie wusste mittlerweile, dass sie damals in Venedig ihren Seelengefährten erkannt hatte.
„Früher hätte ich dir kein Wort geglaubt“, waren seine Worte, als sie es ihm anvertraut hatte. „Aber jetzt habe ich keinen Zweifel. Mit jedem Atemzug fühle ich, wie sehr ich dich liebe. Und ich schätze mich sehr glücklich.“ Dann hatte er sie auf den Hals geküsst, bis sie vor Sehnsucht gebebt hatte. „Ich habe dich und unser Kind, einen Vater, der mich liebt, und ein Königreich. Die Menschen hier haben mich anscheinend schon ins Herz geschlossen. Und du stehst an meiner Seite, wenn ich San Rinaldi regiere. Was kann ich mir mehr wünschen?“
Während sie seine Lippen auf ihren gespürt hatte, war in ihr die tiefe Gewissheit gewachsen: Nichts auf der Welt war wichtiger als dieser Mann und das Kind, das er ihr geschenkt hatte.
Schon bei der Erinnerung an die letzte Nacht wünschte Natalia, sofort wieder mit Kadir allein zu sein. Früher hatte die starke Anziehung zwischen ihnen ihr Kummer bereitet. Nun beflügelten erotische Fantasien ihre Sehnsucht. Heute Nacht würde Natalia sich wieder in seine Umarmung schmiegen, ihn berühren und ihm zeigen …
„Prinzessin, es ist Zeit“, verkündete die Gräfin würdevoll und zog Natalia damit aus ihren sinnlichen Tagträumen. Mit einer energischen Geste gab sie den wartenden Zofen das Zeichen, die Schleppe von Natalias Festkleid anzuheben.
Kaum jemand, der am Rand der Prachtstraße oder auf einem der zahlreichen Plätze der Hauptstadt wartete, hatte je etwas Ähnliches erlebt. Natalia hörte die Jubelrufe, während sie in einer der reich geschmückten Kutschen an der Menge vorbeifuhr. Angeführt und flankiert wurde der Festzug von uniformierten Reitern.
Wenn König Giorgio die Krone seinem Sohn Kadir überreichte, würde Natalia nur zusehen. Später wollten sie und Kadir ihr Eheversprechen öffentlich wiederholen.
Die Kathedrale war bis auf den letzten Platz besetzt. Der weitläufige Innenraum, in dem hohe Säulen dominierten, war von aufgeregtem Stimmengewirr erfüllt.
Als die Prozession die Kathedrale betrat, senkte sich tiefe Stille über das beeindruckende Gebäude, das in alten Vorzeiten errichtet worden war.
König Giorgio und Kronprinz Kadir führten die Würdenträger an, die sich langsam über den Mittelgang bewegten. Das Gesicht ihres Mannes konnte Natalia zwar nicht sehen, dafür aber den königsblauen Samt seiner Uniform und sein dunkles schimmerndes Haar.
Der Chor stimmte eine getragene Melodie an, die die feierliche Atmosphäre unterstrich. Die harmonischen Klänge und der perfekte Duft hüllten Natalia ein für diesen glanzvollen Augenblick. Kadir hatte von ihr ein besonderes Geschenk erhalten, ein Eau de Cologne, das sie für ihn aus sehr erlesenen und seltenen Zutaten geschaffen hatte. Der Duft war ein Symbol für ihre tiefe Liebe. Und weil die einzelnen Bestandteile aus San Rinaldi stammten, verband er Kadir mit seinem Volk.
Der König und Kadir nahmen ihre Plätze auf den vorgesehenen Thronsesseln ein. Natalia setzte sich mit den anderen Mitgliedern der Königsfamilie in die vordere Reihe der Kirchenbänke.
Der Erzbischof von San Rinaldi feierte den Gottesdienst. Auf den Gesichtern der Anwesenden spiegelte sich Ehrfurcht und Freude während der bedeutsamen Zeremonie. Sie verabschiedeten den König, der ihnen lange gedient hatte, und wandten sich
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