Ein König wird beseitigt
Pflicht, nichts unversucht zu lassen, was zur Bereinigung der dermaligen ernsten Lage der Kabinetts-Kasse führen könnte, und schickten sich deshalb an, nochmals gründlich und officiell die Stimmung in den beiden Kammern des Landtags zu erforschen, um sich eine feste Meinung darüber bilden zu können, ob überhaupt und unter welchen Bedingungen vom Landtage eine Hilfe zu erwarten stehe.
Dieser Weg mußte beschritten werden, und es war nicht möglich, ohne vorgängige officielle Exploration der Meinung der Landtagsmitglieder Euerer Königlichen Majestät die Formulirung einer Vorlage an den Landtag zu unterbreiten und zu empfehlen, weil im Falle gänzlicher Abneigung der Kammermitglieder gegen irgend eine Art von Hilfeleistung oder im Falle einer Nichtgenehmigung der von dem Ministerium empfohlenen Modificationen der Vorlage ein abschlägiger Bescheid hätte befürchtet werdenmüssen, und damit eine unerträgliche Niederlage nicht etwa bloß des Ministeriums sondern der Krone selbst herbeigeführt worden wäre, welche das Ansehen der letzteren in hohem Grade hätte schädigen müssen.
Das von dem Ministerium eingeschlagene Verfahren war um so dringender geboten, als das Allerhöchste Handschreiben durch den Ministerialrath von Schneider auf Allerhöchsten Befehl eine Ergänzung dahin gefunden hatte, daß Eure Majestät, wenn nicht die ganze, neuentstandene Schuld von 6 1/2 Millionen Mark, so doch die Hälfte davon vom Landtage ohne Verzinsung und Rückzahlung aus der Civilliste übernommen zu sehen wünschten, und als eine solche Vorlage, wenn Euere Königliche Majestät schließlich wirklich den Befehl zu deren Einbringung gegeben hätten, wie wohl zu erwarten stand, zu einer sicheren und unabwendbaren Niederlage im Landtage geführt haben würde. In Bezug auf die vorherige Erforschung der Stimmung in den Kammern des Landtages stimmten dem Ministerium auch namhafte, Euerer Königlichen Majestät treu ergebene und sachkundige Männer bei, dergestalt, daß z.B. der erste Präsident der Kammer der Reichsräte erklärte, er würde sagen müssen, daß ein Ministerium, das anders verführe, unverantwortlich gehandelt hätte.
Die allerunterthänigst Unterzeichneten wendeten sich deshalb zunächst persönlich und vertraulich, wenn auch ganz officiell, an die ersten Präsidenten der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Abgeordneten, trugen denselben das Anliegen Euerer Majestät vor und stellten die Frage an dieselben, ob sie des Dafürhaltens seien, daß vom Landtage mit einiger Sicherheit eine Abhilfe zu erwarten stehe, und unter welchen Modificationen und Bedingungen etwa dieß der Fall wäre. Die beiden Präsidenten stellten eine Antwort auf diese Frage nach Einvernahme einer größeren Zahl von einflußreicheren, mit der Stimmung der Kammern vertrauten Kammermitgliedern in Aussicht. Der Natur der Sache nach wäre eine wohlfundirte Antwort vor der Rückkehr der Abgeordneten aus den Osterferien nicht ausführbar gewesen, weßhalb sich der Präsident der Abgeordnetenkammer bis dahin Frist vorbehielt.
Nachdem der genannte Kammerpräsident am Osterdienstag und am Mittwoch nach Ostern mit Abgeordneten verschiedener Parteirichtungen Fühlung genommen hatte, theilte er unter dem 29. April dem Gesammtstaatsministerium brieflich mit, daß die einvernommenen Abgeordneten allgemein der Ansicht seien, daß die Abgeordnetenkammer zu der an den Präsidenten gestellten Frage und zu einem hierauf bezüglichen Vorschlage solange nicht Stellung nehmen könne, als nicht – ausgehend vom Staatsministerium – eine vollständige Klarlegung des Sachverhalts gegeben sei. Der Präsident schlug zu diesem Zwecke eine geheime vertrauliche Besprechung des Staatsministeriums mit einflußreichen Abgeordneten vor.
Am Nachmittag des 30. April fand diese Besprechung statt. Es nahmen an derselben die beiden Präsidenten und die beiden ersten Sekretäre, d.h. also das Directorium der zweiten Kammer, und von jeder der Parteien des Hauses eine Anzahl von einflußreichen Mitgliedern der Abgeordnetenkammer Antheil. Die Unterredung hatte folgenden Verlauf.
Der Versammlung wurden von den Staatsministern nach Darlegung der augenblicklichen Lage der Kabinets-Kasse zwei Fragen vorgelegt:
1. Ob der Landtag voraussichtlich die Mittel zur Deckung der neuen, circa 6400.000 Mark betragenden Schuld, oder wenigstens eines Theiles derselben, ohne Entgelt, d.h. ohne Verzinsung und Refundirung, bewilligen werde und eventuell
2. ob sich der Landtag nicht
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