Ein königlicher Verführer
zu steigern. „Sie hatten vor, auf Leben und Tod zu kämpfen, und der Sieger sollte König werden. Ihre Mutter wollte aber keinen ihrer Söhne verlieren und flehte sie an, nicht gegeneinander anzutreten. Sie schlug als Kompromiss vor, das Reich aufzuteilen, sodass jeder von ihnen eine Insel bekam. Die Brüder willigten ein, aber ihr Zerwürfnis war so tief, dass sie nie wieder ein Wort miteinander sprachen.“
„Eine traurige Geschichte.“
„Um sich gegenseitig zu ärgern, wählte jeder von ihnen seinen eigenen Namen für sein Reich. Ihren Untertanen verboten sie, die jeweils andere Insel zu besuchen oder auch nur mit deren Bewohnern zu sprechen. Viele Familien zerbrachen daran, und zahlreiche erfolgreiche Händler wurden in den Ruin getrieben.“
„Und was ist mit der Königin? Für welche Insel hat sie sich entschieden?“
„Sie hat sich geweigert, einem ihrer Söhne den Vorzug zu geben und ist deshalb aus beiden Königreichen verbannt worden.“
Melissa drückte eine Hand aufs Herz. „Du meine Güte, das ist ja grauenhaft!“, rief sie. Wie hatten sie nur ihre eigene Mutter verbannen können?
„Ein paar hundert Jahre hat es gedauert, bis wir unsere Vergangenheit hinter uns gelassen haben“, erzählte Chris. „Das ist der Grund, weswegen wir die Abkommen zwischen unseren beiden Ländern schließen. Wenn wir unsere Ressourcen zusammenlegen, helfen wir Thomas und Morgan Isle, unseren Völkern und Familien.“
„König Phillip ist derselben Ansicht“, versicherte sie ihm. „Und aus diesem Grund bin ich hier.“
„Ich bin erleichtert, das zu hören. Angelegenheiten wie diese können sehr heikel sein.“
„Ich bin eine Prinzessin, die mit dem Strom schwimmt“, gestand sie, und das stimmte zumindest größtenteils. „Jedenfalls nehme ich meine neue Rolle sehr ernst und möchte nur das Beste für mein Land.“
Er bedachte sie mit einem weiteren betörenden Lächeln. „Dann bin ich mir sicher, dass wir sehr gut miteinander auskommen.“
Sie fuhren die Auffahrt hoch, an deren Ende bereits ein Pulk von Presseleuten mit gezückten Mikrofonen und startbereiten Kameras auf sie lauerte.
Als die Tore aufschwangen, trat ein Wächter in Uniform heraus, um die Menge in Schach zu halten. Sie fuhren hinter die steinerne Mauer, die sich meilenweit in alle Richtungen zu erstrecken schien, und als Melissa einen Blick auf die andere Seite warf, stockte ihr der Atem. Überall sattes Grün, alles schien so lebendig. Das Schloss selbst ragte hoch empor wie ein sorgfältig erhaltenes Kunstwerk aus Stein und farbenfroh verzierten Glasfenstern.
„Willkommen auf Schloss Sparrowfax“, sagte Chris.
Als sie die Einfahrt hinter sich gelassen hatten, wurde ihr mit einem Mal klar, dass man hier alle Register zog, um ihr einen wahrhaft fürstlichen Empfang zu bereiten. Die königliche Familie und alle Bediensteten standen in einer Reihe bereit, in Erwartung ihrer Ankunft. Melissas Magen machte sich abermals nervös bemerkbar.
Sie fand, dass das verdammt viel Aufwand für einen normalen diplomatischen Besuch war, obwohl sie sich der Wichtigkeit dieser Reise für ihre Familie und ihr Land bewusst war. Von nun an musste sie auf ihr Benehmen achtgeben und ganz besonders auf ihr loses Mundwerk, das manchmal auf Südstaatenart schneller war als ihr Kopf.
Nachdem die Limousine angehalten hatte, öffneten uniformierte Diener die Türen. Melissa ergriff die Hand, die man ihr entgegenstreckte, und ließ sich heraushelfen. Plötzlich kam ihr das elegante Leinenkostüm, das sie trug, viel zu schlicht vor, denn die Familie des Prinzen war wie für einen königlichen Empfang gekleidet. Zum ersten Mal, seitdem sie erwachsen war, sorgte sich Melissa darüber, einer Herausforderung nicht angemessen gegenüberzutreten, und fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
Chris’ Eltern, der König und die Königin, traten auf sie zu, um sie zu begrüßen. Obgleich sie bereits etwas älter waren, wirkten sie gesund und lebensfroh. Ihre anderen Kinder, Chris’ Bruder und seine Zwillingsschwestern, waren genauso atemberaubend attraktiv wie ihr Bruder. Was für ein Privileg mochte es sein, zu einer derartig schönen Familie zu gehören, überlegte Melissa. Da kam es einem Wunder gleich, dass keiner von ihnen bisher verheiratet war.
Andererseits war gutes Aussehen nicht alles. Nach allem, was sie bisher gehört hatte, konnten die Geschwister auch recht unhöflich sein.
Als Chris an ihre Seite trat, fühlte sie sich aus irgendeinem Grund
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