Ein königlicher Verführer
Kolonne schwarz glänzender Bentleys zum Schloss gefahren, vor dem bereits eine jubelnde Menschenmenge darauf wartete, einen Blick von ihnen zu erhaschen.
Sowohl für die Menschen von Thomas Isle als auch für das benachbarte Königreich war es bedeutungsvoller Tag. Das erste Mal seit Jahrhunderten trafen die beiden Königshäuser in freundlicher Absicht aufeinander, und der Gedanke an den Zusammenschluss der beiden Familien machte allen Hoffnung.
In den vier Tagen von Melissas Abwesenheit hatte man das Schloss auf die Hochzeitsfeierlichkeiten vorbereitet, und überall sah man Schleifenbänder und Blumen. Die Zeremonie sollte auf dem Felsen an der Steilküste stattfinden, und der sich anschließende Empfang in weißen Festzelten auf dem Schlossgelände.
Wenn man unter freiem Himmel heiratete, wusste man ja nie, ob das Wetter mitspielte, aber Melissa hätte sich keinen schöneren Tag für ihre Hochzeit wünschen können. Es war trocken, sonnig und warm, und am blauen Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Sogar der Wind hatte ein Einsehen, sodass an der Klippe nicht mehr als eine milde Brise zu spüren war.
Viele Menschen waren zu den Feierlichkeiten erschienen. Als Phillip Melissa durch die Menschenmenge zum Altar führte, hatte sie nur Augen für Chris. In seiner formellen weißen Uniform sah er ihr entgegen, wie sie in dem zeitlos schönen Kleid – einem geschnürten Traum aus Seide und kostbaren Perlen – auf ihn zukam.
All ihre Zweifel – falls sie jemals welche gehabt hatte – verflogen, als er ihre Hand nahm und sie anlächelte. Nachdem sie einander ihre feierlichen Versprechen gegeben und die Ringe getauscht hatten, begannen die Gäste laut zu jubeln.
Auf dem nachfolgenden Empfang sah Melissa so viele neue Gesichter und führte zahlreiche Gespräche, dass sie sich ein wenig benommen fühlte. Anscheinend wollte jeder die Bekanntschaft mit der zukünftigen Königin machen. Sie war so beschäftigt, dass ihr noch nicht einmal Zeit zum Essen blieb, obwohl ihr jeder vorschwärmte, wie köstlich es sei. Während der ganzen Zeit wich Chris nicht von ihrer Seite.
Als der Abend dämmerte, tanzten sie zum ersten Mal gemeinsam als Mann und Frau, bevor Chris mit seiner Mutter und Melissa mit ihrem Schwiegervater tanzte. Seitdem sie zehn gewesen war, hatte sie keinen Vater mehr gehabt, und König James war der erste Mann, der diese Lücke füllte.
Sicher wirbelte er mit ihr über die Tanzfläche, aber unter dem Lächeln, das er für die Kameras trug, wirkte er erschöpft.
„Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen“, schlug Melissa vor, schließlich war er den ganzen Tag über auf den Beinen gewesen.
„Sie haben dir von meinem Herzen erzählt, stimmt’s?“, fragte er.
Sie nickte und hoffte, dass er nicht wütend war.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, bald weiß es sowieso jeder. Ich kann es ja kaum vertuschen, wenn ich mit einer Herzpumpe herumlaufe, oder?“
„Wir sollten für eine Minute ausruhen.“
„Mir geht es gut“, widersprach er. „Schließlich kommt es nicht jeden Tag vor, dass mein ältester Sohn heiratet.“
„Ja, aber du solltest dich nicht überanstrengen.“
„Du wirst meinem Sohn eine gute Frau sein“, meinte er lächelnd und blinzelte ihr zu. „Du klingst schon wie seine Mutter.“
Sie hoffte wirklich, dass sie eine gute Ehefrau abgab, schließlich war sie in dieser Beziehung vollkommen unerfahren und stürzte sich blindlings in dieses neue Abenteuer.
„Ich möchte, dass du weißt, wie viel uns das bedeutet“, fuhr der König fort. „Was die Heirat unseren beiden Reichen bringt.“
Warum dachte eigentlich jeder, dass sie das für ihre Länder tat? Glaubte niemand, dass sie Chris aus Liebe heiratete, und dass er sie auch liebte? Melissa wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, und schwieg deshalb.
Kurze Zeit später verabschiedete sich das junge Paar von seinen Gästen, um sich umzuziehen und das Flugzeug nach Paris zu erreichen, wo sie die erste Woche ihrer Flitterwochen verbringen würden. Drei Dienstmädchen benötigten fast zwanzig Minuten, um Melissa in ihrem Zimmer aus dem Hochzeitskleid zu befreien. Das würde das letzte Mal sein, dass sie diesen Raum benutzte, denn nach den Flitterwochen würde sie zu Chris ziehen. Sie würden nie wieder zueinander schleichen und Angst davor haben müssen, dass die Königin ihnen auf die Schliche kam. Obwohl es für eine Weile sehr erregend gewesen war, etwas Verbotenes zu tun, war es doch eine
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