Ein koestliches Spiel
zeigen, dass ihm alles egal war und ihn nichts treffen konnte. Prudence verstand es jetzt. Sie umarmte ihn stumm, ihr Gesicht tränennass.
„Edward habe ich monatelang nach der Beerdigung nicht gesehen. Er ging nie wieder zur Schule zurück, auch nicht nach Oxford, sondern wurde privat unterrichtet, weitab von den boshaften Zungen und dem hässlichen Getuschel. Er vergrub sich mehr oder weniger auf seinem abgelegensten Landsitz in der Wildnis Schottlands. Und eine Weile lang wurde er zu dem Einsiedler, der zu sein Sie mir an jenem ersten Tag vorgeworfen haben.“ In absichtlich leichterem Ton sagte er: „Wie lange dieser Tag her zu sein scheint ... Ach, sehen Sie diesen Meilenstein dort? Wir sind nur noch eine Meile von Cranford Bridge entfernt und haben die Heide sicher durchquert. Es sind noch etwa zehn Meilen bis Maidenhead - aber das wissen Sie natürlich, bei Ihrem Talent für Geografie.“
Er wollte das Thema wechseln, aber sie wollte mehr wissen. „Lebt die Mutter des Dukes noch?“
„Oh ja, sie hat überlebt. Sie hat sogar versucht, Edward dazu zu bewegen, nach London zu kommen für die Saison - aber ist dabei gescheitert, oder auch nicht.“ Er lachte trocken. „Während sie in London war und das Haus in einen modischen Albtraum im ägyptischen Stil verwandelte, traf sie einen Amerikaner, reich wie Krösus. Er hat sie geheiratet und mit nach Boston genommen. War entzückt, eine Duchess zur Frau zu bekommen, und sie war entzückt, den alten Skandal hinter sich zu lassen und in einem neuen Land von vorne zu beginnen.“
„Sie und Ihr Cousin waren also zum Schluss auf sich allein gestellt“, bemerkte Prudence leise.
Die Nacht blieb weiter hell und kühl, und obwohl sie sehr müde war von der langen Reise, überschlugen sich Prudences Gedanken. In kürzester Zeit hatte sie tiefen Einblick in sein Innerstes erhalten ... was in ihrem Herzen heillose Verwirrung angerichtet hatte.
„Salt Hill liegt vor uns“, erklärte Gideon leise. „Auf der anderen Seite befindet sich schon Maidenhead.“ Sie hatten die letzten Meilen geschwiegen. Miss Prudence ruhte an seiner Schulter wie eine müde kleine Eule. Wenn er sich nicht völlig irrte, schlief sie beinahe. Schließlich war es für sie ein langer, aufreibender Tag gewesen, und auch ihre Sorgen hatten zu dieser Erschöpfung beigetragen. Die Anhöhe war für die Pferde selbst mit dem leichten Phaeton nur langsam zu erklimmen, aber in weniger als einer Stunde konnten sie im Blue Pelican sein, die Erfrischungen, die Edward bestellt hatte, genießen und sich auf die Zimmer zurückziehen.
Sie richtete sich auf, gähnte verhalten und rückte ein wenig von ihm ab. „Sind wir schon an Windsor Castle vorbei? Ich glaube, man kann es von der Straße aus sehen.“
„Nein, noch nicht. Es liegt ein Stück weiter.“
„Der arme König. Ich frage mich, wie es ihm geht Aus der Dunkelheit vor ihnen dröhnten Hufschläge.
„Was, zum..."
Zwei Reiter brachen vor ihnen aus dem Unterholz auf die Straße und preschten auf ihren Wagen zu, als wäre er nicht da. Im allerletzten Moment wich einer der Reiter zur Seite aus und ritt dicht an der Kutsche vorbei. Der andere dagegen schien wild entschlossen, sein Pferd auf dem Gestänge des Phaetons aufzuspießen. Erst wenige Zoll vorher brachte er es zum Stehen.
Weil sie bergan standen und seine Pferde erschreckt an den Zügeln zerrten, kostete es Gideons ganze Aufmerksamkeit, sie unter Kontrolle zu bringen. „Verdammt, was soll das ...“
„Hände hoch und heraus mit den Wertsachen!“ Die Stimme war erstaunlich klar und deutlich. Erneut bäumten sich die Pferde wiehernd auf. Der Mann vor ihnen trug einen dunklen Schal um die untere Hälfte seines Gesichts geschlungen. Mondlicht funkelte auf dem langen Pistolenlauf, der auf die Insassen des Phaetons gerichtet war.
Auf Miss Prudence Merridew.
Gideon drohte das Herz stehen zu bleiben. Lautlos fluchend kämpfte er darum, das Gespann zu beruhigen. Hinter ihm spürte er, wie sein Pferdebursche sich verstohlen bewegte. „Ist gut, Boy-le“, befahl er knapp. „Ich werde alleine fertig mit den Biestern. Kein Grund, abzusteigen.“
„Ganz recht, Sir“, brummte Boyle. „Ruhig bleiben und abwarten.“
Gideon nickte. Boyle hatte verstanden, dass er nicht von den Pferden gesprochen hatte. Unter dem Sitz hinten lagen zwei Gewehre, für genau solche Fälle. Und von Boyles Antwort her zu schließen, hatte er eines davon in der Hand und wartete auf die Gelegenheit, es zu
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