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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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großen Familienrudeln herum und inspizieren emsig Wurzeln von Gräsern und verfaulte Baumstämme nach Insekten und Vogelnestern; auf der Suche nach Würmern, Skorpionen, Spinnen und anderen Leckerbissen drehen sie Steine um. Von Zeit zu Zeit richten sie sich auf, um über das Gras zu spähen, oder, wenn das Gras zu hoch ist, springen sie steil in die Luft, als würden sie von Federn hochgeschnellt. Entdecken sie etwas, was nach Gefahr riecht, stoßen sie laute Schreie aus, »proup... proup... proup« und rennen durch das Gras in rhythmischem Galopp davon, wie kleine, rote Rennpferde.
    Unsere vier Patas wohnten zusammen in einem großen Käfig. Wenn sie nicht damit beschäftigt waren, sich mit dem Ausdruck angespannter Konzentration auf ihren traurigen Gesichtern gegenseitig das Fell sorgfältig zu durchsuchen, erfreuten sie sich an eigenartigen »orientalischen« Tänzen. Patas sind die einzigen Affen, von denen ich weiß, daß sie wirklich tanzen. Die meisten Affen wirbeln während ihrer ausgelassenen Spiele herum oder springen in die Höhe; die Patas jedoch kennen regelrechte Tanzfolgen und haben dabei ein ziemlich umfangreiches Repertoire. Sie beginnen damit, daß sie wie ein Gummiball auf allen vieren in die Höhe hopsen; dabei werden sie immer schneller und springen immer höher, fast bis 60 Zentimeter hoch; dann halten sie an und zeigen eine neue »Schrittfolge«. Hinterfüße und Hinterteil bleiben ruhig, der Oberkörper schwingt wie ein Pendel zur Seite, und dabei dreht sich auch der Kopf von links nach rechts. Haben sie diese »Schritte« zwanzig- bis dreißigmal wiederholt, kommt eine neue Figur. Dabei stehen sie steif und aufrecht auf den Hinterbeinen, strecken die Arme über die Köpfe, die Gesichter zur Decke ihres Käfigs gerichtet. In dieser Haltung schwanken sie so lange im Kreise herum, bis ihnen schwindlig wird und sie auf den Rücken purzeln. Das Ganze begleiten sie mit einem kleinen Lied, etwa so: »Waaaaow... waaaaow... proup… waaaaow... proup«, das wesentlich anziehender und eingängiger ist als ein Durchschnittsschlager, gesungen von einem durchschnittlichen Schnulzensänger. Die Patas waren versessen auf lebendige Nahrung aller Art. Sie meinten, ihr Tag sei unvollkommen, wenn sie nicht wenigstens eine Handvoll Grashüpfer, ein paar Vogeleier, ein Bündel saftiger, haariger Spinnen bekamen. Besondere Leckerbissen waren für sie die Larven der Palmkäfer. Die in Kamerun sehr verbreiteten Palmkäfer, ovale Insekten von etwa 5 Zentimeter Länge, legen ihre Eier in modernde Baumstümpfe, mit Vorliebe in das weiche, faserige Innere der Palmen. In diesem feuchten, weichen Nahrungsbett entwickeln sich die Eier, und die Larven wachsen bald zu einem bläulich-weißen, 8 Zentimeter langen und daumendicken madenartigen Wesen heran. Die fetten, zusammengekrümmten Larven waren für die Patas eine Götterspeise, und ohrenbetäubendes Begeisterungsgeheul scholl mir entgegen, wenn ich mich mit einer Schüssel voll dieser Leckerei ihrem Käfig näherte. Eigenartig war, daß sie vor den Larven Angst hatten, so gern sie sie fraßen. Ich schüttete die Larven gewöhnlich auf den Boden. Die Patas hockten um den Haufen herum, schrien immer noch vor Vergnügen und berührten die Leckerbissen mit zögernden, zitternden Fingern. Sobald sich jedoch eine Larve bewegte, zogen sie die Hand hastig zurück und wischten sich schnell die Finger an ihrem Fell ab. Schließlich ergriff einer eine fette Larve, stopfte sie sich mit abweisendem Gesicht und geschlossenen Augen in den Mund und biß fest zu. Diese erbarmungslose Enthauptung beantwortete die Larve mit einem rasenden Todeskampf. Der Patas ließ sie eilig fallen und wischte sich die Hände ab; während er noch immer mit fest geschlossenen Augen und abwesendem Gesicht dasaß, kaute er auf dem abgebissenen Stückchen herum. Ich mußte dabei jedesmal an Leute denken, die zum erstenmal Austern essen. In der Absicht, den Patas etwas Gutes zu tun, verursachte ich, ohne es zu wollen, eines Tages einen wilden Aufruhr. Die Dorfkinder versorgten uns mit frischer Nahrung für unsere Tiere. Gleich nach Tagesanbruch erschienen sie mit Kalebassen voller Schnecken, Vogeleiern, Käferlarven, Grashüpfern, Spinnen, kleinen nackten Ratten und anderen seltenen Leckerbissen, an denen sich unsere Schützlinge gütlich taten. Eines Morgens brachte ein Junge außer den üblichen Schnecken und Palmkäferlarven zwei Larven des Goliathkäfers. Goliathkäfer sind die größten in der ganzen

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