Ein Komet fält vom Himmel
Menschheit ist es wert, vernichtet zu werden! Wie kann man nur so sicher sein, daß alles ewig besteht?! Warum begreifen sie es nicht, Lil?«
»Es liegt außerhalb unseres Begriffsvermögens, Herpi.« Lil machte eine alles umfassende Armbewegung. »Das alles soll an einem Tag untergehen? Diese Welt?! Das kannst du keinem einreden, Herp! Du allein nicht … und die Regierungen schweigen.«
»Das ist ja die Schweinerei!«
»Ich meine, es ist das beste, was sie tun können.« Sie umarmte Herp und zog ihn an sich. Wer an ihnen vorbeiging, dachte an ein Liebespaar, das trotz der Kälte an einer Hauswand lehnen und sich fühlen wollte. Wenn man schon wie ein Hippie aussieht …
»Herpi –«, sagte sie leise und küßte seine nervös zuckenden Augen. »Du bist ja selbst schon krank vor Angst.«
»Nein!«
»Doch! Du weißt doch als Journalist, daß es Dinge gibt, die man einfach nicht veröffentlichen darf! «
»Du redest wie ein Minister und die Typen auf den Chefetagen der Zeitungen.« Masters machte sich aus Lils Umarmung los.
»Und wenn die Welt nicht untergeht?«
»Auch das haben sie mich alle gefragt.«
»Dann hast du die Welt vernichtet. Die gesamte Menschheit wird in einem vollkommenen Chaos leben! Mein Gott, Herpi wach auf! Nur weil ein Mann, ein der Menschheit unbekannter Professor Mortonson, eine Rechnung aufgestellt hat, drehst du durch!«
»Ich nicht allein!« Masters wischte sich über das Gesicht. Klebriger Schweiß rann über seine Augen. »Auch Garrison, Lil. Auch Messanger. Ich habe sie doch gesehen, wie sie blaß und erschüttert mit Mortonson aus dem Zimmer kamen. Durch Zufall hab ich's gesehen! Und dann hing ich an Mortonson wie ein Blutegel! Das ist keine Spinnerei …«
»Komm zurück ins Hotel«, sagte Lil sanft, so wie man einem gestürzten Kind zuspricht und ihm sagt, es tue ja nicht mehr weh. »Warten wir es ab …«
»Was?« Herp blickte Lil aus weiten Augen an. »Den 5. Januar?«
»Vielleicht …«
»Stillschweigend?«
»Ja.«
»Dann bring mich in eine Gummizelle, wo ich die Wahrheit gegen die Wände schreien kann!«
Sie zog ihn mit sich fort, schleifte ihn fast die Treppe von Hack's Hotel hinauf und gab ihm oben im Zimmer ein Wasserglas voll Whisky zu trinken.
Das haute Herp um. Er fiel aufs Bett und begann zu schnarchen. Mit zuckendem Gesicht betrachtete Lil ihn, dann kamen ihr die Tränen und rannen lautlos über ihre Wangen.
Ich kann ihn doch nicht bis zum 5. Januar unter Alkohol halten, dachte sie. Das kann ich doch nicht. Ich vergifte ihn ja.
Mein Gott, hilf mir. Was soll ich tun? Was, o Gott, was …?
Das Telefon von Peter Pohle war angezapft worden. Ein Tonband lief immer mit und nahm jedes Gespräch auf. Außerdem hatte sich ein Kriminalbeamter in der Wohnung einquartiert, mit Zustimmung von Erika, die wie ausgebrannt herumlief, sich um die Zwillinge kümmerte und jetzt im geheimen wünschte, daß Peter nicht mehr anrufen würde.
Die Techniker der Bundespost standen bei dem automatischen Wähldienst vor dem Problem, im Falle eines Anrufes von Peter Pohle schnell zu ermitteln, von welchem Apparat aus er sich meldete. Das war eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe, vor allem, wenn Pohle über das Fernnetz anrief. Aber die zuständigen Ingenieure des Fernsprechamtes versprachen, ihr möglichstes zu tun. Warum der ganze Aufwand betrieben wurde, sagte man ihnen nicht. Es genügte, daß vom Bundespostministerium für die gesamt Aktion grünes Licht gegeben worden war. So etwas hatte es in Deutschland bisher noch nicht gegeben: Die gesamte Technik der Post wurde eingesetzt, um einen einzigen Mann ausfindig zu machen.
»Er kann nicht weit sein«, sagte Erika immer wieder. »Er hat doch nichts bei sich. Kein Geld, keine Papiere, nicht einmal einen Wintermantel. Er fällt doch überall auf.«
»Überlegen wir einmal in aller Ruhe, wohin Ihr Mann sich wenden kann«, sagte der Kriminalrat, der als Leiter einer kleinen Sonderkommission den ›Fall Pohle‹ bearbeitete. »Hat er noch Verwandte?«
»Nur noch einen Onkel in Hannover, aber wie soll er dahin kommen, ohne Geld?« antwortete Erika.
»Haben Sie eine Ahnung, wie weit man ohne einen Pfennig fahren kann!«
»Nicht mein Mann. Er ist ein Wissenschaftler, kein Ganove!«
»Natürlich. Aber in seinem Zustand entwickelt man ungeahnte Fähigkeiten.« Der Kriminalrat blickte aus dem Fenster. Es schneite ununterbrochen. Ohne Mantel, dachte er. Natürlich fällt das auf. Und Dr. Pohle ist kein Landstreicher, der alle
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