Ein Komet fält vom Himmel
Kniffe kennt, wie man an ein warmes Plätzchen kommt, ohne gefragt zu werden. Darin lag eine große Chance, ihn zu entdecken.
»Der Onkel in Hannover ist uns aus den Personalakten bekannt. Er wird bereits überwacht«, sagte er. »Ebenso alle Kollegen Ihres Gatten. Da gibt es keine Lücke.«
»Aber warum das alles?« Erika saß auf der Couch, nebenan schliefen die Zwillinge im Elternbett, ahnungslos, müde vom Spielen. »Ich habe nie gehört, daß so viel Aufhebens um einen geflohenen Nervenkranken gemacht wird. Ist … ist mein Mann wirklich so gefährlich?« Sie spürte, wie die Tränen wieder über ihr Gesicht rannen. Sie wollte dagegen ankämpfen, aber es gelang ihr nicht.
»Um ehrlich zu sein … ich auch nicht.« Der Kriminalrat trat vom Fenster zurück. »Diese Frage habe ich mir auch gestellt … privat. Ich kenne Ihren Gatten nicht –«
»Er ist der friedlichste Mann der Welt. Er haßt alle Gewalt. Aber jetzt jagt man ihn wie ein Ungeheuer. Wie kann man ein Ungeheuer sein, wenn man sich nur mit den Sternen beschäftigt?«
»Ich habe darauf keine Antwort. Ich habe nur meine Einsatzbefehle. Es muß etwas Wichtiges sein, denn das Bundesinnenministerium hat das Bundeskriminalamt und den Bundesverfassungsschutz eingesetzt.«
»Verfassungsschutz?« fragte Erika völlig verwirrt.
»Das ist ein Behördenname. Er kümmert sich um die gesamte innere Sicherheit des Staates … in politischer Hinsicht.«
»Mein Mann hat nie etwas mit Politik zu tun gehabt …«
»Keine Ostkontakte?«
»Aber nein! Wieso denn?«
Der Kriminalrat hob die Schultern. Das war alles rätselhaft. Ein harmloser Astronom und Forscher dreht durch und setzt dadurch einen ganzen Staatsapparat in Bewegung. Und keiner gibt Auskunft – es heißt nur in dem Einsatzbefehl: Dr. Peter Pohle muß gefunden werden!
Weiter nichts. Was steckt dahinter? Selbst die Frau des Gesuchten steht vor einem Rätsel.
Wie kann ein Mann staatsgefährlich werden, nur weil er zu seiner Familie sagt: »Fliegt sofort nach Australien …«?
Was ist in Australien los? Bestanden etwa doch Ostkontakte und die ganze Familie sollte flüchten, bevor ein großes Ding gedreht wurde?
Der Kriminalrat zündete sich eine Zigarette an. Nicht einen Augenblick dachte er an den Kometen Kohatek. Vielleicht wußte auch er nicht, wer Kohatek war … so etwas überliest man in den Zeitungen oder vergißt es schnell wieder. Mein Gott … da saust so ein Ding durch das Weltall, was soll's? Das ist etwas für die Wissenschaftler, für diese Sterngucker, deren Tun sowieso kaum einer versteht. Was hat man schon davon, wenn man einen neuen Stern entdeckt oder weiß, daß der Stern XYZ 1 Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt ist?
Das Telefon klingelte. Erika und auch der Kriminalrat zuckten zusammen. Irgendwo in einer Schaltstelle begann das Tonband zu laufen, ausgelöst durch den Klingelimpuls.
»Heben Sie ab …«, sagte der Kriminalrat rauh. Er griff nach dem zweiten Hörer, den man vor einer Stunde an den Apparat montiert hatte. »Und sprechen Sie völlig natürlich. Versuchen Sie – wenn es Ihr Mann ist – ihn so lange wie möglich am Apparat zu halten …«
Erika nickte. Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie nahm den Hörer ab und sagte: »Hier Pohle. Erika Pohle.«
Dann lauschte sie. Am anderen Ende der Leitung meldete sich niemand … aber sie hörte, wie jemand stoßweise atmete.
Und sie wußte, so sicher wie ihre Kinder nebenan im Bett lagen, daß es Peters Atem war.
Verzweifelt sah Erika Pohle zu dem Kriminalrat hinüber. Der Hörer bebte in ihrer Hand.
»Reagieren Sie ganz natürlich …«, flüsterte der Kriminalrat. »So, wie Sie es sonst auch tun würden …«
»Hallo, wer ist denn da?« fragte Erika laut. Ihre Stimme hatte einen so spröden Klang, als müsse sie gleich zerbrechen. »Melden Sie sich doch! Sonst lege ich auf …«
Der Atem wurde lauter. Endlich sagte eine Stimme, die so fern klang, als käme sie aus einem anderen Erdteil:
»Erika …«
»Peter!«
»Bist du noch immer allein?«
»Ja …«
Dieses Ja war eine einzige Qual … es war ein Verrat an Peter Pohle. Mit geschlossenen Augen sprach Erika weiter.
»Die Polizei ist wieder weg. Du kannst ruhig sprechen, Liebling. Wo bist du?«
»In Sicherheit, Erika. Was machen die Kinder?«
»Sie schlafen in deinem Bett … Peter, hör mir zu, ich flehe dich an, hör mir zu …«
»Es sind die gleichen Worte, die ich auch zu dir sprechen will. Erika, glaub mir bei dem Leben unserer Kinder: Du mußt
Weitere Kostenlose Bücher