Ein Komet fält vom Himmel
lachte und faßte Erika unter. »Peter fühlt sich wohl, er hat schon viele Freunde gewonnen, und alle unsere Frauen sind gespannt auf diese Erika, die ich mitbringe. Sie werden in den nächsten Wochen viel Tee trinken und Kuchen essen müssen – alle wollen Sie einladen.«
Das war der Augenblick, wo Erika vor Glück wie ein Kind zu weinen begann.
In Trelleborg wandten sich Gustafsen und Smoborg ab, als Erika und Peter mit ausgebreiteten Armen aufeinander zuliefen und die Zwillinge mit ihren hellen Stimmchen: »Papi! Papi!« schrien.
Sie bildeten ein Knäuel von Köpfen und Armen, als sie Peter erreichten und an ihm hingen. Gustafsen zog Smoborg weg zum Hafenlokal.
»Trinken wir einen Glühwein«, sagte er heiser. »Junge, mir gefrieren die Tränen in den Augenwinkeln …«
Später saßen sie alle in einem Kombiwagen und fuhren durch das verschneite Südschweden.
»Wir haben ein kleines Holzhaus am Meer«, schilderte Peter und streichelte Erikas Haar. »Gemietet, aber ich kann es einmal kaufen, wenn wir wieder genug in der Tasche haben. Ein gebrauchtes Auto bekomme ich nächsten Mittwoch, die neuen Möbel laufen auf Abzahlung. Mädchen, es geht aufwärts …«
Er küßte ihre Augen, zog dann die Zwillinge auf seinen Schoß, auf jedes Knie eins, und drückte sie an sich. Vor ihnen dehnte sich das verschneite Land, sie fuhren durch schmucke Dörfer und durch stille, mit Schnee behangene Wälder … eine Märchenlandschaft, die ihre Heimat werden sollte.
Als die große runde Kuppel des Planetariums von Oresund auftauchte, wandte Erika den Kopf zur Seite.
»Ich hasse die Sterne«, sagte sie leise. »Wenn ich es könnte, würde ich sie vom Himmel wischen wie Staub.«
»Es gibt nichts Ewigeres als die Sterne.« Peter Pohle starrte auf die glänzende Stahlkuppel, an der sie jetzt vorbeifuhren. Das kleine Holzhaus lag auf der anderen Seite der Bucht, von ihm aus konnte man die Kuppel nicht sehen, der Wald erhob sich dazwischen. »Wer die Sterne liebt, weiß, wie sinnlos aller Ärger auf dieser Erde ist …«
In der Nacht saßen Gustafsen und Peter Pohle unter den riesigen Teleskopen und blickten in die Unendlichkeit. Es war eine klare Nacht, das Weltall öffnete sich ihnen und mit ihm immer wieder die Erkenntnis, daß Unendlichkeit eigentlich unbegreifbar ist. Der Mensch denkt in Begrenzungen … ein Raum, der keine Grenzen hat, ist unvorstellbar.
Was ist Unendlichkeit?
Vor ihren Augen raste der Komet Kohatek zurück ins Nichts. Ein heller Punkt wieder, ein Fleck unter Millionen leuchtender Flecken, hineinjagend in die unbegreifliche Weite, aus der er vielleicht in 10 Millionen Jahren wiederkommen würde.
Wird es dann noch den Planeten geben, den man Erde getauft hatte? Oder wird auch er dann wieder nur ein leerer Stern sein, kahlgefegt von den Atomen, die der Mensch zu spalten lernte? Ist überhaupt ein Komet wie der Kohatek nötig, um die Welt zu vernichten? Ist der Mensch dafür nicht viel prädestinierter und vor allem dazu bereiter?
Peter Pohle gab seinem Drehsessel einen Stoß und drehte sich vom Okular weg. Gustafsen schielte zu ihm hinüber.
»War das dein Abschied vom Kohatek?« fragte er.
»Ja.« Peter Pohle wischte sich über die geröteten, brennenden Augen.
»Schwenken wir hinüber zur Venus … ich will etwas Erfreuliches sehen.«
Sie lachten, und in diesem Lachen ging der Komet Kohatek endgültig unter.
Das Leben ist so schön … aber man erkennt es erst, wenn ein Komet vom Himmel zu fallen droht.
Wozu eigentlich hat der Mensch zwei Augen, um zu sehen, ein Hirn, um zu denken, und ein Herz, um zu lieben – wenn er so wenig Gebrauch davon macht?
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