Ein Komet fält vom Himmel
anderen – und hat alle irgendwohin gebeten.«
»Aha!« Peter Pohle betrat das Arztzimmer und blickte sich um. Ein Schreibtisch, ein Stuhl, eine Untersuchungsliege, ein Wandkalender, ein gerahmter Buntdruck von Garmisch, ein Blutdruckmesser als Standgerät, ein Karteischrank, an der Wand ein Hängeschrank mit Reihen von Medikamentenschachteln. Kreislaufmittel, dämpfende Mittel, Tranquilizer, Schlafmittel … man brauchte nur hineinzugreifen. So ist es immer, dachte Pohle. An das Einfache denkt man zuletzt. Die Klinikapotheke ist unerreichbar – aber hier liegt es griffbereit.
»Keiner da –«, sagte er völlig sinnlos.
»Vielleicht kann man anrufen?«
»Wohin?«
»Die Zentrale wird's wissen.«
»Natürlich.«
Er muß mich für ein Rindvieh halten, dachte Pohle. Aber nur so werde ich in seinen Augen völlig harmlos. Er nahm den Hörer ab, tat so, als wenn er eine Nummer wählte, und wartete. Dann legte er auf, wählte noch einmal und warf den Hörer dann resignierend zurück.
»Das Telefon scheint gestört zu sein. Kein Ton! Versuchen Sie's mal nebenan im Pflegerraum, Herr Polizeirat. Ein Arzt für meine Frau …«
Der Polizist nickte. Nach nebenan gehen – auf diese Weise läßt man den zu Bewachenden nicht allein. Außerdem, wo wollte der Doktor auch hin? Alle Türen waren verschlossen.
»Polizeirat ist gut«, sagte er gemütlich. »Wäre ich das, brauchte ich nicht hier zu sitzen.«
Er ließ Dr. Pohle allein und ging ›nebenan‹ zu dem anderen Telefon. Schnell riß Pohle die Tür des Wandschrankes auf und stopfte in die Jackentaschen, was er gerade greifen konnte. Es war ja völlig gleichgültig, was man mitnahm … jedes Medikament, in Mengen genossen, ist für ein Kind tödlich.
Aber er griff genau das Richtige … als der Polizist zurückkam, hatte Pohle zehn Schachteln mit massiven Dämpfungsmitteln eingesteckt, Megaphen und Pacatal. Er lehnte am Schreibtisch und sah so harmlos aus, daß der Polizist ihm fast kumpelhaft zunickte.
»Ein Arzt kommt gleich.«
»Danke.«
Sie gingen zu Pohles Zimmer zurück. Pohle steckte die Hände in die Jackentaschen und umklammerte die Medikamentenpäckchen.
Übermorgen wird mich Erika anflehen, den Kindern ein Glas mit den erlösenden Tabletten zu geben, dachte er. Übermorgen, wenn der Kohatek den Teil des Himmels, den wir Menschen sehen, völlig einnehmen wird. Jetzt habe ich genug bei mir, um dieses grauenvolle Ende abzukürzen.
Er kam wieder ins Zimmer und blieb an der Tür stehen. Erika starrte ihn mit weiten Augen an.
»Wo warst du?« fragte sie tonlos und streichelte über die Köpfe der Zwillinge.
»Auf der Toilette.« Peter Pohle lächelte schwach. »Und einen Arzt habe ich kommen lassen. Keiner wird dir und den Kindern etwas tun. Keiner. Wir müssen jetzt nur die Kraft haben, warten zu können.«
In der Stadt New York und später im ganzen Staatsgebiet verbreiteten Polizei, Stadtverwaltung und selbst alle kirchlichen Stellen Optimismus und Beruhigung.
Joe Bitters ›Evening‹ begann, Wirkung zu zeigen. Alle Behörden wurden mit Fragen bombardiert. Kolonnen von Autos, Wagen mit überladenen Dachgepäckträgern, mit schnell gepackten Sachen randvoll zugestopft, wurden nach einem in fieberhafter Eile ausgearbeiteten Katastrophenplan umgeleitet und landeten wieder in der Stadt. Rundfunk und Fernsehen verbreiteten pausenlos, daß der Artikel im ›New York Evening‹ nur eine schriftstellerische Vision sei und man den Autor Herp Masters bereits suche, um ihn für diesen Blödsinn zur Verantwortung zu ziehen. Zwei Stunden später sprach Präsident Garrison im Fernsehen … ganz kurz nur, auf strahlender Staatsmann geschminkt, mit fester Stimme und gewohnt fröhlichen Augen. Auch er sagte in aller Deutlichkeit, daß Masters' Artikel ein Scherz gewesen sei, ein verdammt bitterer Scherz allerdings. Er erinnerte an Orson Welles' Reportage von der Landung der Marsmenschen, die auch eine Panik ausgelöst hatte, weil sie so wahr geklungen hatte … das große, aber bittere Lachen hinterher lag allen Amerikanern noch im Ohr. Nichts anderes war es jetzt. Herp Masters war der neue Illusionist des Schreckens …
Die Suche nach Herp und Joe Bitter lief unterdessen auf vollen Touren. Daß er wieder friedlich in Hack's Hotel saß und auf seine Lil wartete, daran dachte niemand. Das FBI sendete die Zeichnung, die man nach Lils Angaben von Masters gemacht hatte, über alle Fernsehstationen der USA, neben dem Foto des dicken Joe Bitter, dessen Gesicht rund und
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