Ein Komet fält vom Himmel
heraus.«
»Ein Hubschrauber hat ihn abgeholt! Überzeugt euch selbst. Wir öffnen das Tor und lassen eine Delegation ins Haus. Sie kann alles durchsuchen! Herp Masters ist nicht mehr bei uns!«
Ein Wutgeheul antwortete. Die Menschenmenge brandete nach vorn. Rache! Rache! Rache!
Lil Abbot wurde mitgerissen. Mechanisch setzte sie Schritt vor Schritt. Herp ist nicht mehr da, dachte sie und begann vor Glück zu weinen. Sie kriegen ihn nicht … sie können ihn nicht in Stücke reißen … er wird weiterleben … Herpi …
Drei Stunden später, irgendwo am Hudson, hielt der VW. Der Fahrer nickte Masters zu, sein Mund war verkniffen.
»Steig aus, Sauhund!« sagte er. »Los, steig aus!«
»Hier?«
»Wo sonst?«
»Und dann?«
»Das ist deine Sache. Ich habe den Befehl, dich irgendwohin zu bringen und auszusetzen. Was du von jetzt ab machst, ist nicht mehr Sache des FBI. Von mir aus geh zu Hack's Hotel zurück.«
»Danke.« Herp stieg aus und tippte an den Kopf. Sein Gesicht war wie versteinert. »Ihr habt getan, was ihr tun konntet. Ihr seid feine Kerle. Ich komme schon durch.«
»Hoffentlich nicht. Und wenn du durchkommst, du Schwein, dann sieh dir an, was du angerichtet hast. Vielleicht hängst du dich dann selbst auf!«
Der VW fuhr an und verschwand schnell in dem Gewirr der Hafenanlagen. Masters blickte ihm nach, ging dann hinüber zum Quai und starrte in das schmutzige Wasser des Hudson.
Wie überlebt man, dachte er. Wie muß ein Mensch wie ich sich benehmen, um die nächste Zeit durchzustehen? Ganz Amerika kennt mich, ich bin der bestgehaßte und meistgesuchte Mann der USA, meinen Namen nennt jeder … und wie habe ich von diesem Ruhm geträumt! Der große Schriftsteller Herp Masters. Amerikas neuester Bestseller-Autor. Der Pulitzer-Preis für Herp Masters … und jetzt stehe ich am Hudson, berühmt wie kein zweiter vor mir, doch gejagt von einer ganzen Nation …
Er setzte sich auf einen eisernen Poller, legte die Beine auf die Nylontrossen, mit denen an dem Poller ein Schiff vertäut war, und fand in seiner Tasche noch eine Zigarette. Die letzte. Vielleicht die letzte in diesem Leben, dachte er, steckte sie an und rauchte sie langsam und genußvoll.
Um die Ecke eines Schuppens herum beobachtete ihn ein Mädchen … ein kleines Mädchen von etwa zehn Jahren mit flachsblonden Haaren und ausgewaschenen blauen Jeans.
Erika Pohle hatte es geschafft, mit ihrem Anwalt zu telefonieren. Er kam sofort hinaus in die Psychiatrische Klinik und traf dort auf eine eisige Mauer von Ablehnung, ja Feindschaft. Der Chefarzt ließ sich nicht sprechen, er war angeblich in einer langwierigen Behandlung mit Elektroschocks, der Oberarzt konnte keine Auskunft geben und auch nicht die Genehmigung, mit dem Patienten Dr. Pohle zu sprechen. Die gnädige Frau? Selbstverständlich. Sie war ja keine Patientin … noch nicht … und die Kinder natürlich auch nicht. Aber Dr. Pohle bedurfte noch der völligen Isolierung.
Der Anwalt – der junge Dr. Richard Wenzler – sah keine Möglichkeit, diese starke Front der Ärzte im Augenblick zu durchbrechen. Er telefonierte mit dem Innenministerium, dem Verwahrungsgericht, dem Justizminister des Landes … es war vorauszusehen, daß alle Stellen die gleiche Antwort gaben: Alle Entscheidungen hängen von dem Gutachten der Ärzte ab.
Die Schlange biß sich in den eigenen Schwanz.
Dr. Wenzler nahm den Kampf auf … nicht, weil er dafür bezahlt wurde oder Dr. Pohle ihm besonders sympathisch war. Nein, für ihn war es jetzt ein Kampf gegen die Zumauerung privater Schwächen. Man benutzte Dr. Pohle als Alibi für die eigene Unzulänglichkeit.
»Ich bekomme Ihren Mann heraus!« sagte Dr. Wenzler, als er mit Erika alles durchgesprochen hatte. Sie saßen in der großen, modern und sachlich eingerichteten Halle der Psychiatrischen Klinik. Man hatte Erika ein eigenes Zimmer eingerichtet, wo sie mit den Zwillingen wohnen konnte, bis sich das Schicksal Dr. Pohles entschieden hatte … ein Zugeständnis, das so selten war, daß Dr. Wenzler sagte: »Irgendwie zwickt die doch das schlechte Gewissen …«
»Und wie bekommen Sie Peter wieder frei?« fragte Erika leise und faßte hilfesuchend nach Wenzlers Hand.
»Ich habe den nötigen Dickschädel dazu! Ich bin Westfale! Als erstes machen wir die Presse mobil. Wie damals Emile Zola bei Dreyfus: die öffentliche Meinung als Armee gegen das Unrecht …«
Die deutschen Zeitungen brachten den ›Fall Dr. Pohle‹ in einer auffälligen Aufmachung, aber
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