Ein Komet fält vom Himmel
sich knapp, warf noch einen schnellen Blick auf den schlafenden Peter Pohle und verließ dann das Zimmer.
Die Tür klappte zu … die Tür ohne Klinke. Ein Zimmer, aus dem man nicht entrinnen konnte.
Ich muß hier raus, dachte Erika und trat wieder an das Fenster. Draußen schneite es dicke Flocken, die wie ein gehäkelter weißer Vorhang am Fenster vorbeiwehten. Sie preßte die Stirn gegen das Glas und schloß die Augen.
Wir müssen hier raus, so schnell wie möglich. Wie kann ich Peter von hier wegschaffen? Mein Gott, schick mir eine Idee: Wie kann ich Peter retten …?
In New York hatten regelrechte Straßenschlachten zwischen Polizei, Plünderern und den zurückströmenden Bürgern begonnen.
Die Polizei schaffte es nicht mehr: Militär mit Panzern und automatischen Feuerwaffen rollte wie bei einer Revolution durch die Stadtviertel und säuberte sie. Fast pausenlos wurde über Funk, Fernsehen und über Lautsprecherwagen ein Aufruf von Präsident Garrison, der zur Vernunft mahnte, verlesen. Bürgerwehren wurden schnell gebildet, und wie zur Zeit der Kolonisation wurde der Plünderer an Ort und Stelle erschossen. Das alte, gnadenlose Western-Gesetz herrschte wieder: Die schnellste Hand siegt. Und trotzdem gingen in diesen Stunden Werte von Millionen Dollar verloren, wurde ein Schaden angerichtet, den niemand auch nur schätzungsweise zu nennen wagte.
Das FBI hatte in diesen ersten Stunden des 5. Januar anderes zu tun, als sich um Herp Masters zu kümmern. Man sperrte ihn in eine der Hauszellen und schickte Lil Abbot, die nicht gehen wollte, nach Hause. Sie blieb vor dem FBI-Gebäude auf der Straße stehen, lehnte weinend an der Hauswand und irrte dann durch die Straßen, die von den zurückströmenden Flüchtlingen heillos verstopft waren.
Als sie ganz in ihrer Nähe das Rattern von Maschinenpistolen hörte, flüchtete sie in eine Telefonzelle und kauerte sich zitternd auf den Boden.
Ein Telefon. Sie blickte zu dem schwarzen Kasten hinauf und erinnerte sich plötzlich, daß Herpi ein paarmal von einem berühmten Rechtsanwalt gesprochen hatte, den er bei großen Prozessen kennengelernt und über den er einige Berichte geschrieben hatte. Sie hatten sich dann ein paarmal getroffen, und Herp Masters trug von da ab den Plan mit sich herum, über Mr. John Hopman ein Buch zu schreiben, einen Bestseller, den ganz Amerika verschlingen mußte: ›Meine großen Freisprüche‹.
John Hopman …
Lil erhob sich vom Boden, hängte den Hörer aus und suchte dann im Telefonbuch Hopmans Nummer. Als sie sie gefunden hatte, wählte sie und wartete. Es dauerte qualvoll lange, bis sich eine Stimme meldete. Eine sehr helle Stimme.
»Hopman …«
»Lil Abbot. Mr. Hopman, ich muß Sie sofort sprechen …«
»Kennen wir uns, Mrs. Abbot?«
»Miß Abbot.«
»Verzeihung, das kann man am Telefon nicht sehen.«
»Ich bin die Braut von Herp Masters, Sir …«
Auf der anderen Seite war nichts mehr zu hören. Er hat aufgelegt, durchfuhr es Lil eiskalt. Er hat einfach aufgelegt, als er Herps Namen hörte. Gibt es denn auf der ganzen Welt keinen Menschen mehr, der Herp noch ertragen kann? Darf sich denn ein Mensch nicht irren?!
»Hallo!« schrie sie in den Hörer. »Hallo, Mr. Hopman. Sind Sie noch da …?!«
»Ich bin noch da«, antwortete die helle Stimme. »Miß Abbot, Sie sind mein erster Anruf! Ich bin vor zehn Minuten erst zurückgekehrt … ich war auf dem Wege in das Gebirge …«
»Sie … Sie auch, Mr. Hopman?« Lil begann wieder zu weinen. »Dann brauche ich nicht weiterzusprechen. Leben Sie wohl, Mr. Hopman …«
»Halt, Miß Abbot! Legen Sie nicht auf. Wo sind Sie?« Die helle Stimme wurde eindringlich. »Natürlich ich auch! Jeder liebt sein Leben und rennt dafür um die ganze Welt, wenn's was nützt. Hören Sie … wo ist Ihr Freund? Wenn Sie es wissen, dann rennen Sie, so schnell Sie können, und warnen Sie ihn! Seit einer Stunde spielt man um den bekanntesten Mann der Staaten verrückt. Die Rundfunksender blasen zur Kopfjagd! Die letzte Meldung: Herp Masters sitzt beim FBI …«
»Das stimmt, Mr. Hopman«, sagte Lil und sank mit der Stirn gegen den schwarzen Telefonkasten.
»Himmel noch mal! Es sind mehrere Tausend unterwegs, um das FBI-Gebäude zu stürmen und Masters herauszuholen. Sie wollen ihn lynchen. Miß Abbot, kommen Sie sofort zu mir!«
»Ich muß zurück zum FBI!« schrie Lil. Ihre Stimme überschlug sich. »Ich muß zu Herpi …«
»Lil!« brüllte Hopman. Aber Lil hatte den Hörer fallen lassen.
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