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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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protestierte Morosow ahnungslos. Er wußte ja nicht, was Larissa bewegte. »Der Mann, der sie ins Bett zu locken vermag, müßte einen Heldenorden bekommen. So schön sie ist, so widerborstig benimmt sie sich. Statt aus Fleisch und Blut scheint sie aus Metall zu bestehen.«
    »Metall rostet, wenn man es nicht putzt.«
    Morosow lachte schallend. »Das muß man sich merken! Novella, werde ich nachher sagen, achte darauf, daß du nicht verrostest. Laß dich kräftig reiben! Ins Gesicht wird sie mir springen!«
    »Sie ist auch eine Katholikin?«
    »Oh! Völlig danebengegriffen, Larissa Dawidowna, Novella ist eine fanatische Atheistin. Ein Produkt der Komsomolzenschulen.«
    Die Tschakowskaja nickte unter ihrem breiten Strohhut. Welch eine Mischung, dachte sie fast mit Schadenfreude und bitterem Hohn. Ein Priester und eine Gottlose liegen aufeinander. Der Himmel müßte einstürzen deswegen.
    »Wo fahren Sie hin, Wladimir Alexejewitsch?« rief Novella aus dem Fenster. »Sie vergessen, daß in einer Stunde der Hubschrauber aus Tjumen landet. Der Genosse Gebietskommissar.«
    »Ich werde pünktlich sein!« rief Morosow zurück. Er ließ den Wagen wieder an und rollte langsam den unbefestigten Weg hinunter bis zu der festgewalzten Straße, die neben der Erdgasleitung entlangführte. »Ein gutes, fleißiges Mädchen«, sagte er, »der lebende Notizblock. Was könnte sie in einer Stadt werden? Aber nein, sie will in Sibirien bleiben. Eine echte Patriotin. Bei den Paraden am 1. Mai oder zum Jahrestag der Revolution trägt sie die rote Fahne.«
    Die Tschakowskaja lehnte sich auf dem harten Autositz zurück. Riesige Lastwagen voll ausgebaggerter Erde kamen ihnen entgegen. Sie fuhren zu den Sumpfstellen, die man bereits trockengelegt hatte und nun mit guter Erde auffüllte, um Höhenunterschiede auszugleichen.
    »Was würde Novella Dimitrowna tun, wenn sie erführe, daß Sie ein Katholik sind und einen Priester brauchen?« fragte sie.
    Morosow hob die Schultern. Sein Gesicht unter dem Moskitoschleier war nur schwach als heller Fleck zu erkennen. »Schweigen würde sie – meinetwegen.«
    »Aha! Sie haben bei ihr im Bett gelegen, Wladimir Alexejewitsch? Leugnen Sie jetzt nicht mehr!«
    »Und wie ich leugne!« Morosow lachte jungenhaft. »Sagte ich doch schon: Wer das schafft, bekommt einen Orden.«
    Er wird einen Orden bekommen, dachte die Tschakowskaja bitter. Einen aus Blech werde ich ihm machen lassen. In der Werkstatt des Lagers. Von einem Klempner, der dafür zwei Töpfe voll Kascha bekommen wird. Ein Stern soll es sein mit einem sich spreizenden Vogel. Bunt bemalt das alles. Ich werde Abukow den Vöglerorden selbst an die Brust stecken und ihm dann den Ritterschlag ins Gesicht geben. Sie schloß die Augen, lehnte den Kopf noch mehr zurück und träumte von dieser Stunde.
    »Jetzt kommen wir in das Arbeitsgebiet«, sagte Morosow plötzlich und riß damit Larissa Dawidowna aus ihren Gedanken. »Nun wird es härter. Hier gibt es keine vernünftigen Wege mehr, es geht auf Schüttelpisten ins Gelände.«
    Die Tschakowskaja sah sich um. Ein Sumpfwald tat sich vor ihnen auf. Urbäume, die auf einem schwammigen Grund wuchsen. Unberührtes Land seit Erschaffung der Erde. Stamm an Stamm, die Rinde von Frost und Hitze zerrissen, aber ein Holz, das wie Eisen war. Nordsibirische Taiga.
    Riesige Kräne und Raupenschlepper zogen die gefällten Stämme zu den Sammelplätzen. Schaufelbagger frästen sich in den Boden. Spezialkettenfahrzeuge rissen die Baumstümpfe und Wurzelballen aus der Erde. Und jedesmal war es wie ein Aufschrei des Baumes, wenn knirschend, knackend und brechend die Wurzelstücke aus der Tiefe hervorquollen. Das Herz des Waldes.
    Die ersten Sträflinge tauchten auf. Sie standen entlang der Riesenbäume, hieben mit Äxten und langen, gebogenen Macheten die Äste und das Laub ab, säuberten die Stämme und schleppten das Astwerk zu riesigen Haufen. War das Gebiet frei von Wurzeln, zündete man die Reisighaufen an. Wer nachts über diese Waldstücke flog, sah unter sich ein flammendes Mosaik.
    Die Tschakowskaja starrte auf die haushohen Laubhaufen. Ein Tag kurz nach der Schneeschmelze in diesem Frühling fiel ihr ein. Da brachte ein Lastwagen zwei Sträflinge ins Lager zurück, zwei Körper voller Brandwunden und in Fetzen herunterhängender, verkohlter Haut. Hoffnungslos war es, und Dshuban sagte es ganz hart: »Wir können uns alles ersparen. Wozu noch Salben? Wozu Infusionen? Da ist kein Leben mehr möglich.«
    Er gab den

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