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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bereinigt werden, zweieinhalb Meter tief, 147 Kilometer lang in meinem Gebiet. Und schnell muß das gehen, denn ein Bagger hebt jede Stunde 2.000 Kubikmeter Erde aus.« Morosow beugte sich in den Wagen, holte vom Boden eine große Sprühdose und nebelte damit Larissa, dann sich selbst ein. Die Moskitowolke verzog sich und blieb, auf der Stelle schwirrend, einen Meter von ihnen in der heißen Luft stehen. Morosow sprühte noch einmal die Tschakowskaja ein und nickte dann zufrieden.
    »Das reicht für eine Stunde. In dieser Glut verdunstet das Zeug zu schnell. Fahren wir weiter?«
    »Kann ich nicht näher zu den Männern?«
    »Natürlich können Sie das. Aber wozu? Sie sehen nicht mehr als jetzt. Und glauben Sie, Ihr Anblick würde die Leute kräftiger machen? Es hieße doch nur: Sieh an, die Genossin Ärztin; kommt raus, um sich daran zu weiden, wie wir schuften müssen. Kann man es ihnen übelnehmen, daß sie so denken?«
    »Gibt es keine andere Arbeit, Wladimir Alexejewitsch? Eine noch leichtere?«
    »Nein!«
    »Aufräumungsarbeiten …«
    »Für über neunhundert Mann? Das Ziehen von Entwässerungsgräben ist fast eine Erholung – es sei denn, wir lassen die Brigaden am Waldrand lagern und halten ihnen politische Vorträge – «
    »Das wäre eine Möglichkeit, Morosow.«
    »Und irgend jemand würde dann einen Bericht darüber nach Surgut an die Einsatzleitung schicken. Die gibt es weiter nach Tjumen, von Tjumen geht es nach Perm, von Perm nach Moskau. Und plötzlich stehe ich auf der Liste der Unzuverlässigen, die man beobachten muß. Das ist die erste Stufe in den Keller. Den Rang eines Chefingenieurs habe ich – aber was hat das zu bedeuten? Jeder paßt auf jeden auf, und jeder will emporklettern auf der Leiter. Dieses Nachbarschaftsüberwachungssystem ist die raffinierteste Art der Kontrolle: Sie funktioniert immer, reibungslos und lautlos. Jede Schwäche des einen ist der Triumph des anderen, weil Schwäche als Verrat am Aufbau eingestuft wird. Fahren wir lieber zurück!«
    Die Tschakowskaja blickte noch einmal über den weiten Kahlschlag, über die gebeugten Rücken, über die Elendsgestalten, die Karren schoben, sich durch die Gräben wühlten, Knüppelwege bauten und Balken schleppten, ausgelaugt von Sonnenglut und fauliger Sumpfluft, zerbissen von Moskitos und angetrieben von den Wachmannschaften, die unter ihren Moskitonetzen wie Rieseninsekten aussahen.
    »Es sind ja auch Frauen hier!« sagte sie plötzlich. »Morosow, da hinten arbeiten Frauen am Waldrand.«
    »Die Holzbrigade vom Frauenlager Tetu-Marmontoyai. Sie haben einen Außenposten von zweihundertfünfzig Frauen, die für die Holzplattenfabrik und das Sägewerk eingesetzt werden. Seit drei Wochen stoßen unsere Holzfällergebiete aneinander. Ein Fehler der Planungsabteilung in Surgut, wir können da nichts tun. Rassim hat bereits einen Tobsuchtsanfall bekommen, als die Wachen zweiunddreißig Mann überraschten, wie sie sich hinter gefällten Stämmen oder Reisigbergen mit den Weibern vergnügten.« Morosow lachte bitter. »Sie werden Arbeit bekommen, Larissa Dawidowna. In zwei Wochen kommen die ersten Tripperfälle zu Ihnen, in vier Wochen die ersten Syphilitiker. Ich kann's nicht ändern. Also keine Beschwerden bei mir!«
    Die Tschakowskaja schwieg. Sie blieb neben dem Wagen stehen, beobachtete die Frauen am Waldrand, sah nun auch über den Wipfeln der Bäume Rauchsäulen in den blaßblauen Gluthimmel steigen. Auch sie verbrennen das Reisig, dachte sie. Die gleiche Arbeit wie die Männer verrichten sie, sitzen auf den Traktoren und schleifen die Stämme weg, beladen mit Kränen und Kettenzügen die Flachwagen, fahren die Laster zum Sägewerk, schieben die Stämme in die Sägegatter, schichten Balken und Bretter zum Trocknen auf großen Holzplätzen und haben dann noch die Kraft, an den Abenden von Männern und Liebe zu träumen. Wer ist eigentlich das ›stärkere Geschlecht‹?
    »Da steht ja auch Sotows Jeep!« sagte sie und streckte die Hand aus. »Dort! Bei den gestapelten Benzinfässern. Wladimir Alexejewitsch, fahren Sie mich hin! Leutnant Sotow kann mich zurück ins Lager bringen. Genug habe ich gesehen. Bitte, schonen Sie meine Männer noch bis zum Ende der Woche, soweit das möglich ist. Das nicht erfüllte Soll werden sie nachholen, wenn sie wieder besser bei Kräften sind.«
    »Sie versprechen etwas, das Sie nie halten können, Larissa Dawidowna.«
    »Ich werde Rassim veranlassen, daß die Essensrationen etwas erhöht werden, auch

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