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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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merkst es erst, wenn es dein Herz verschlingt.«
    Noch lange saß Abukow in seinem Zimmer wach am Fenster und quälte sich mit seinem Gewissen. Ein schlechter Priester bin ich, dachte er. Wie ein Wolf beginne ich zu leben. Wüßte Rom das, mich träfe der päpstliche Bannstrahl. Aber es ist etwas anderes, am Tiber zu beten oder in Nowo Wostokiny . Kommt her, ihr Monsignori und Exzellenzen im roten Ornat – was würdet ihr denn tun? Nichts! Denn für Rassim wäre es das Fest seines Lebens, euch den Purpur vom Leib zu reißen und euch in die lehmdreckige zerrissene Arbeitskleidung zu stecken. Hinauszujagen in Urwald und Sumpf, bei glitschigem Brot und Wassersuppen mit fauligem Kohl. Das wäre die Wahrheit, wäre das Ende eures römischen Stolzes. Ein Elender unter Elenden muß ich hier sein mit allen Konsequenzen, aller Mühe, aller Pein, aller Hoffnung und aller Sünde. Sonst gibt es kein Kreuz in Sibirien, nicht hier in der wilden Einsamkeit nördlich des Ob.
    Herr, mein Gott, sieh es ein. Was hier geschieht, das geschieht doch nur für Dich! Nein, es war Lüge! Lahme Entschuldigungen waren es für Mißerfolge eines Sünders. Abukow sah es ein und wußte dennoch keinen anderen Weg. Er würde damit leben müssen bis zum Tag der großen Rechenschaft. Ein paarmal blickte er auf die Uhr – jetzt brach Bataschew die Waggons auf und stahl für ihn, den Priester. Stahl für das Theater, hinter dem sich die Kirche verstecken sollte … der Gottesdienst … Jede Vorstellung würde eine Messe sein, eine Gebetsstunde, eine Stärkung in der Hoffnungslosigkeit. Warum dann diese Qual des Gewissens? War es nicht doch ein gutes Werk?
    Den Dienstagmorgen verschlief Abukow , erschöpft von der langen, durchwachten Nacht. Sein neuer Dienst begann erst gegen Mittag, da erwartete man einen neuen Kühlzug aus Tjumen. Er schrak hoch, weil jemand heftig an seine Tür klopfte. Es war gerade neun Uhr morgens, wie Blei lag die Müdigkeit noch in seinen Knochen. Er warf seinen Bademantel über, schlurfte zur Tür und schob den Riegel zurück. Sie sprang auf, weil der Besucher heftig dagegendrückte, und mit Schwung flog Morosow fast ins Zimmer und prallte mit Abukow zusammen.
    »Oh! Wladimir Alexejewitsch ! Sie sind es!« rief Abukow erfreut. »Meinen Brief haben Sie erhalten und kommen sofort zu mir? Berichten Sie, was wissen Sie Neues? Haben Sie Larissa erreicht?«
    Morosow setzte sich schwer auf den nächsten Stuhl. »Von welchem Brief sprechen Sie, Victor Juwanowitsch ?«
    »Ich habe Novella Dimitrowna einen Brief an Sie mitgegeben. Sie haben ihn nicht? Wieso? Novella und ich waren am Sonntag hier in Surgut im Kino. Sie hat versprochen, den Brief …«
    » Novella konnte ihn nicht abgeben.« Morosow atmete tief auf, blickte Abukow traurig an und seufzte tief. »Sie waren außer Tscheljabin , der sie in seinem Auto mitnahm, der letzte, der mit ihr gesprochen hat …«
    »Was heißt das?« fragte Abukow verwundert.
    » Novella ist auf dem Weg nach Hause überfallen und bestialisch vergewaltigt worden.«
    »O mein Gott …«, stammelte Abukow . »Wo denn …«
    »Im Wald neben der Straße zur Trasse. Tscheljabin ist tot, seine Hirnschale wurde zertrümmert. Novella liegt mit einem schweren Schock im Krankenhaus und ruft nach Ihnen, Victor Juwanowitsch .« Morosow beugte sich vor: »Warum haben Sie sich mit Novella in Surgut getroffen? Sie haben Sie in die Stadt gelockt. Warum? Ich habe das Gerücht gehört, Sie und die Tschakowskaja .«
    »Es stimmt. Ich und Larissa …«
    »Und Novella als zweites Kopfkissen?«
    »Sehen Sie mich mit solchen Augen, Wladimir Alexejewitsch ?«
    »Muß ich das nicht? Novella ruft nach Ihnen wie nach ihrem Leben.«
    »Es ist ein fataler Irrtum von ihr. Ich hatte sie nach Surgut gebeten, um ihr einen Brief für Sie mitzugeben. Nur zu diesem Zweck! Im Lager konnte ich nicht anrufen, das hätte mich verdächtig gemacht. Auch Ihr Telefon wollte ich nicht benutzen; man weiß nie, ob jemand in der Vermittlung mithört. Ein Brief, von Novella überbracht, erschien mir am sichersten.«
    »Wie sicher, das sehen Sie jetzt. Der Brief hat mich nie erreicht, und er wird es auch nicht. Bei dem Überfall auf Novella muß er verlorengegangen sein. Was haben Sie mir denn geschrieben?!«
    »Wir müssen sofort zu Novella , Morosow . Sofort!« rief Abukow .
    »An nichts kann sie sich mehr erinnern. Sie wurde gewürgt, wurde ohnmächtig und wachte auf, als alles vorbei war. Das war eine Gnade Gottes!«
    »Sie erwähnen Gott,

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