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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte.
    Morosow fuhr seinen Wagen, ohne es zu wissen, genau in die Schneise, in der damals der Täter sein Auto verborgen hatte, und ging dann zurück zu der Stelle, die ihm Novella beschrieben hatte. Den Strauch wilder Brombeeren fand er bald, und er sah auch sofort den blinkenden, hellen Stein auf dem Boden. Als er ihn aufhob, lag darunter wirklich ein Fetzchen Hemdenstoff – das einzige, was man nun von dem Unhold in Händen hatte.
    Hinter dem Strauch knipste Morosow sein Gasfeuerzeug an und betrachtete in der kleinen zuckenden Flamme den Stoffetzen. Ein normaler, weißer Hemdenstoff war es, der keinerlei Hinweise möglich machte. Hätte er Streifen gehabt oder Karos oder sonst ein Muster – aber es war nur ein einfaches Weiß. Davon gab es unzählige Hemden. Nur, als Morosow den Stoff zwischen den Fingern rieb, sagte er sich, daß dies ein gutes, ein teures Hemd sein mußte; nicht eins aus der üblichen Massenkollektion, wie man sie in den Magazinen und Kaufhäusern kaufen kann. Wer aber ein teures Hemd trägt, gehört nach allen Erfahrungen nicht zu den einfachen Arbeitern, jedenfalls nicht in Sibirien, wo man Rubel auf Rubel legt, um später, nach dem großen Aufbau, irgendwo ein besseres Leben zu führen. Hemden dieser Sorte tragen die bessergestellten Genossen, die Ladenbesitzer, die Beamten, die Ingenieure, die hochbezahlten Spezialisten, die selbständigen Handwerker, die Angestellten in den verschiedenen Großbetrieben und Ämtern – eben Männer, die sich aus der breiten Masse der Arbeitenden abheben.
    Nachdenklich ging Morosow zu seinem Wagen zurück, knipste die Deckenbeleuchtung an und betrachtete noch einmal das Hemdenstück. Am Rande war ein dünner roter Streifen: Blut! Morosow hätte viel dafür gegeben, könnte er dieses Blut chemisch untersuchen lassen, um festzustellen, ob es Novellas Blut war oder das Blut des Täters.
    Er steckte den Stoffetzen sorgfältig in seinen ledernen Brustbeutel, fuhr auf die Straße hinaus und kehrte nach Surgut zurück. Um Byrankow nicht zu vielen Fragen zu reizen, behielt er dessen Wagen, parkte ihn vor dem Wohnheim der Ingenieure neben der Zentralen Bauleitung und legte sich dort in seinem Zimmerchen auf das Holzbett.
    Ein Stückchen Hemdenstoff … das war hier in Sibirien wie eine Tannennadel in der Taiga. Wie brachte man Novella Dimitrowna bei, daß es keine Hoffnung gab, das Untier zu entlarven?
    Morosow – wie konnte er das ahnen? – war eine Viertelstunde zu früh vom Tatort weggefahren. Der Täter kehrte zurück!
    Vorsichtig bog er von der Straße in die Schneise ein, mit abgeschalteten Scheinwerfern, stieg aus, sicherte wie ein Wild nach allen Seiten und hetzte dann zu dem Platz, auf dem er Novella so grausam geschändet hatte. Mit einer kleinen Taschenlampe suchte er das Gelände ab, immer wieder sichernd und den dünnen Lichtstrahl sofort ausknipsend, wenn sich auf der Straße ein Auto näherte. Er stand dann hinter den Bäumen, eng an den Stamm gedrückt, ein Schatten unter Schatten, und wartete.
    Über eine Stunde lang suchte er Zentimeter um Zentimeter den Tatort ab und schien nicht zu finden, was ihn wieder nach hier getrieben hatte. Unruhig lief er noch einmal hin und her – vom Straßenrand, wo er Novella weggeschleift hatte, bis zu dem Platz, wo er sie vergewaltigt hatte, strich sich dann wie verzweifelt mit beiden Händen über das Gesicht und kehrte zu seinem Wagen zurück.
    Unbeachtet von den Insassen der anderen Autos, die gegen Morgen über die Straße sausten, fuhr er dann wieder davon.
    Er fuhr nicht nach Surgut – er fuhr nach Norden …
    Am Nachmittag dieses Montags, als Abukow von einer Lieferung an ein Baulager in der Umgebung zum Depot zurückkehrte, wartete schon die Knollennase Bataschew auf ihn. Er hatte sich bereits mit Smerdow angefreundet, denn es stellte sich heraus, daß Smerdow ein boxbegeisterter Mensch war und sich natürlich an den großen Bataschew erinnerte. Die Knollennase hatte sogar einen Begriff seiner Kraft hinterlassen: Smerdow hatte ein dickes Brett zwischen zwei Stühle gelegt, und Bataschew hatte tief Luft geholt, uff! gebrüllt und mit einem Fausthieb das Brett durchgeschlagen. Nun saß er stolz an Smerdow s Tisch, trank Tee und aß einen Honigkuchen, den die Smerdow a am Sonntag gebacken hatte und von dem noch einiges übriggeblieben war.
    »Welch eine Freude, Maxim Leontowitsch kennenzulernen!« rief Smerdow , nachdem Abukow seine Transportpapiere auf den Schreibtisch geworfen hatte. »Und wie er

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