Ein Kuss für die Ewigkeit: Roman (German Edition)
Shelley.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich kann Ihre Verbitterung gut verstehen. Was zwischen Ihnen und Missy Lancaster gewesen ist, ging schließlich niemanden etwas an. Schon gar nicht die Öffentlichkeit. Einfach infam, Sie zum Sündenbock abzustempeln.«
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem zynischen Grinsen. »Wo waren Sie eigentlich, als ich Sie dringend
brauchte? Sie hätten mich seinerzeit bestimmt moralisch aufgebaut.«
»Das wird schon wieder. Wenn erst mal Gras über die Sache gewachsen ist, meine ich. Die Leute vergessen schnell.«
»Und Sie ?« Er legte ihre Bücher auf die Verandabrüstung und trat einen Schritt auf sie zu.
»Was … was ist mit mir?«
»Können Sie ebenfalls vergessen, dass ich in einen Skandal um eine junge Frau verwickelt war? Nachdem Sie aus eigener Erfahrung wissen, dass ich zehn Jahre vorher ein noch jüngeres Mädchen geküsst habe?«
Betretenes Schweigen trat ein. Was sollte sie ihm darauf bloß antworten, überlegte sie hektisch. Sie starrte ihn mit großen Augen an. Er stand mit gestrafften Schultern vor ihr und füllte ihr gesamtes Blickfeld aus. Sie roch den würzig-holzigen Duft seines Eau de Cologne, spürte seine innere Anspannung.
»Das in Poshman Valley war nur ein kleiner Ausrutscher«, murmelte sie.
»So? Finden Sie«, fragte er leise. »Hinterher hab ich mir das auch einzureden versucht, aber als ich Sie nach ein paar Tagen wiedergesehen habe, war ich mir da gar nicht mehr so sicher. Mag sein, dass mir die nötige Distanz fehlte, die man als Lehrer gegenüber seinen Schülerinnen zu wahren hat. Vielleicht empfand ich aber schon damals mehr für Sie und sah in Ihnen die Frau, die Sie heute sind. Schön, begehrenswert. Shelley …«
»Nein.« Als er noch näher kam, wich sie zurück. »Nein, Grant.«
»Wieso nicht?«
»Wieso? Weil sich an der Situation nichts geändert hat.«
»Das ist kein stichhaltiger Grund, Shelley. Wie alt sind Sie jetzt? Sechsundzwanzig? Siebenundzwanzig? Ich bin fünfunddreißig. Einmal angenommen, ich wäre nicht Ihr Dozent und wir würden uns auf irgendeiner Party kennen lernen, dann würde unser Alter doch keine Rolle spielen, oder?«
Sie knetete ihre Hände, damit sie nicht so verdächtig zitterten. Oder tat sie dies, weil sie ihre Finger sonst nicht hätte bei sich behalten können? Wie gern hätte sie ihm die vorwitzige, mit silbernen Fäden durchzogene Strähne aus der Stirn geschoben. Oder ihn umarmt. »Mit dem Alter hat das nichts zu tun, sondern mit dem ganzen Drumherum. Ich bin immerhin Ihre Studentin.«
»An der Poshman Valley Highschool spielte das eine Rolle. Aber hier nicht. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter. Ich finde, wir sollten einfach ausprobieren, ob der Kuss damals wirklich nur ein kleiner Fauxpas war. Oder ob mehr dahintersteckt.« Er trat zu ihr und legte seine starken Hände auf ihre Schultern.
»Nein, bitte nicht. Vergessen Sie das Ganze.«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu«, sagte er eindringlich. Er drängte sie gegen das Mauerwerk. »Sie dürfen mir glauben, als ich Sie neulich das erste Mal in meiner Vorlesung gesehen habe, bin ich irgendwie richtig wieder aufgelebt. Nach der Ochsentour, die ich hinter mir habe, waren Sie wie ein Lichtblick in tiefer Dunkelheit. Ich hatte jenen Abend im Dezember nie vergessen, allenfalls in die Tiefen meines Bewusstseins verbannt. Und als ich Sie wiedersah, drängte das alles mit Macht wieder
an die Oberfläche. Die Ambivalenz. Das bohrende Gewissen. Schuldgefühle …
Ich möchte Sie noch einmal küssen, Shelley. Meine Karriere ist mir verflucht egal. Ich weiß nämlich inzwischen, wie flüchtig Erfolg und Glück sind. Also, was soll’s? Was interessieren mich die Ansichten anderer? Ich habe es satt, auf die Befindlichkeiten anderer Menschen Rücksicht zu nehmen. Die Bezahlung hier ist ohnehin bescheiden. Ich werde Sie jetzt küssen, Shelley. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«
Sanft umschloss er mit den Fingern ihr Kinn. Als sie sich halbherzig dagegen wehrte, fasste er ihre Hände und schob sie sich sanft auf die Schultern. Für den Herzschlag der Ewigkeit heftete sich sein Blick in ihre riesigen, fragenden Augen, dann senkte er den Kopf.
Sein Mund war warm, weich, sanft und doch begierig. Er saugte so verführerisch an ihren Lippen, dass sie sich ihm willenlos öffneten. Sie hörte ein lustvolles Seufzen, als sich ihre Zungen fanden, und realisierte nicht einmal, dass der Laut ihrer Kehle entschlüpft war.
Seine Zunge rieb sich
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