Ein Kuss für die Ewigkeit: Roman (German Edition)
auch ins Gesicht sagen.«
»So was lässt ihn kalt. Zumal er alles erreicht hat, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Er ist Mediziner und im Krankenhaus von Oklahoma City eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Das Letzte, was ich weiß, ist,
dass er sich mit der Tochter vom Chefarzt verlobt hat. Für seine Karriere geht er über Leichen.«
Zwischen zusammengepressten Lippen stieß Grant leise ein Schimpfwort hervor. »Und um ihm das Medizinstudium zu finanzieren, sind Sie damals arbeiten gegangen, richtig?«
»So in der Art, ja.« Seine ärgerliche Miene verunsicherte sie. »Hier wohne ich.« Nervös deutete sie auf das Haus.
Er folgte ihr über die unebene Zuwegung zu dem überdachten Eingangsportal. Die rotbraune Klinkerfassade wurde von einer weiß getünchten Holzveranda aufgelockert. Rasen und Zierpflanzen vor dem Haus waren gepflegt, einmal abgesehen von dem abgefallenen Laub der beiden Pekannuss-Bäume, das sich überall im Garten verteilte.
»Das Haus gefällt mir«, rief Grant begeistert.
»Wirklich? Mir hat es auch spontan zugesagt. Ich darf gar nicht daran denken, dass ich nach dem Studium wieder wegziehen muss.«
»Und wohin? Haben Sie schon einen Job in Aussicht?«
»Noch nicht. Aber im nächsten Frühjahr fange ich an, Bewerbungen zu verschicken. Vermutlich bleibt mir nichts anderes übrig, als in eine der Metropolen mit den Großbanken umzuziehen, die für meinen Job in Frage kommen.«
Sie sprach zunehmend leiser und räusperte sich verlegen. Es behagte ihr nämlich absolut nicht, wie sein Blick unablässig an ihren Lippen klebte.
»Danke, dass Sie mich begleitet …«, hob sie an.
»Shelley, sind Sie denn kein bisschen neugierig? Sie
haben mich noch mit keinem Wort gefragt, wieso sich die bildhübsche Tochter eines einflussreichen Senators wegen mir das Leben genommen hat.«
Sie war sprachlos. Sie hatte nicht erwartet, dass er das heikle Thema Washington so offen ansprechen würde. Natürlich war sie neugierig. Die ganze Nation hatte mit Spannung gelesen, was in den Zeitungen über ihn verbreitet worden war. Denn die Schlagzeilen vom Selbstmord eines ihrer umschwärmten Lieblinge in Washington hatten in der Öffentlichkeit eine Woge der Entrüstung ausgelöst.
In den Monaten vor ihrem Tod war Missy Lancaster eng mit Grant Chapman befreundet gewesen. Ihr Vater, der Senator von Oklahoma, hatte die zarte Romanze scheinbar gebilligt. Als die junge Frau nach einer Überdosis Schlaftabletten tot in ihrem Apartment in Georgetown aufgefunden worden war, hatte die Gerüchteküche zu brodeln begonnen. Zwangsläufig war der Name Grant Chapmans gefallen. Man hatte ihn dafür verantwortlich gemacht; es hieß, er habe ihr das Herz gebrochen. Schließlich war er aus dem Stab des Senators entlassen worden.
Das hatte Chapman nicht auf sich sitzen lassen. Stattdessen war er auf die wahnwitzige Idee verfallen, gegen Senator Lancaster ein Gerichtsverfahren wegen Vertragsbruchs anzustreben. Ein gefundenes Fressen für die Presse. Was ließ sich besser in den Gazetten vermarkten als ein nacktes Mädchen, tot im Bett, einen selbst geschriebenen Abschiedsbrief in der Hand? Inhalt: »Mein geliebter Schatz, verzeih mir, aber ich liebe dich über alles. Wenn ich dich nicht haben kann, will ich lieber sterben.« Als Höhepunkt hatte die Autopsie
auch noch ergeben, dass Missy Lancaster schwanger gewesen war. Und die Öffentlichkeit hatte jedes dieser delikaten Details hungrig verschlungen.
Grant hatte das Verfahren zwar gewonnen, sein Amt aber nach dem Richterspruch trotzdem sogleich niedergelegt. Er mochte unsensibel sein, aber er kannte seine Grenzen. Und hatte genau gewusst, dass er in Washington zur unerwünschten Person geworden war.
»Es … es hat mir wahnsinnig leidgetan für Sie, dass Sie das alles haben durchmachen müssen«, meinte sie schließlich.
Er lachte rau. »Dann waren Sie aber vermutlich die Einzige, die Mitgefühl hatte mit mir, der Hauptfigur in diesem Schurkenstück. Waren Sie denn nicht auch davon überzeugt, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe zutrafen? Haben Sie nicht auch geglaubt, dass ich eine junge, unschuldige Frau ins Unglück gestürzt habe? Oder sich heimlich gefragt, ob das Kind, das bei dem Selbstmord der Mutter ebenfalls starb, von mir war?«, erregte er sich. Als sie impulsiv einen Schritt zurückwich, schwieg er betreten. Fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte schwer. Einen Augenblick lang starrte er unschlüssig auf den gepflasterten Weg. »Verzeihen Sie,
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