Ein Kuss für die Ewigkeit: Roman (German Edition)
maskuliner als an der Highschool. Damals hatte sie ihn angehimmelt, eine jugendliche Schwärmerei eben, aber inzwischen war er ein echter Womanizer.
Hand aufs Herz, sie hatte ihn nie ganz vergessen können, und jetzt war er erneut in ihr Leben getreten. Keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Während sie Müsli und Milch in eine Schale gab, machte sie sich bittere Vorwürfe, dass sie sich ausgerechnet für sein Seminar eingeschrieben hatte. An der Universität gab es siebentausend Studenten. Die Chance, ihm zufällig über den Weg zu laufen, wäre verschwindend gering gewesen. Aber sie musste es ja unbedingt
so einrichten, dass sie sich zweimal pro Woche sahen!
Ihr Abendsnack knusperte und knackte zwischen den Zähnen, während sie mechanisch kaute und den Geschmack einfach nur fade fand. Seit sie von ihrem Mann getrennt lebte, kochte sie nur höchst selten; infolgedessen waren die sechs Kilo, die sie während ihrer fünfjährigen Ehe zugelegt hatte, locker wieder verschwunden. Und sobald die Scheidung amtlich war, hatte sie sich fest vorgenommen, nie wieder für einen Mann zu kochen. Daryl hatte nämlich nach Hause kommen können, wann er wollte, er hatte stets erwartet, dass sie augenblicklich ein warmes Essen für ihn auf den Tisch zauberte.
Die Empörung darüber, dass sie sein serviles Ehefrauchen gewesen war, stieß ihr bitter auf. Der Appetit war ihr plötzlich vergangen. Ärgerlich spülte sie die Schale ab. »Nie wieder«, schwor sie sich.
Sie hatte Daryl Robins auf einer Party der Studentinnenvereinigung kennen gelernt. Gleich in ihrer ersten Woche an der Oklahoma University. Sie kam direkt von der Poshman Valley High, und ein gut aussehender Medizinstudent war für sie damals Romantik in Reinkultur.
Nach der ersten Tanzfolge waren sie für den Rest des Abends unzertrennlich gewesen. Es machte Shelley zwar nervös, wie eng er sie während der langsamen Bluesserien umschlungen hielt, aber schließlich war sie ja jetzt Studentin. Außerdem wurde er nicht übermäßig zudringlich, fand sie. Nein, der blonde Adonis mit dem entwaffnenden Grübchenlächeln eroberte ihr Herz im Siegeszug.
Am Wochenende ihrer Heimfahrt wollte er das
erste Mal mit ihr intim werden. Fehlanzeige. Bis Weihnachten entwickelten sich ihre Dates zunehmend zu Scharmützeln um Shelleys Unschuld. »Meine Güte, Mädchen, wann wirst du endlich erwachsen?«, fauchte er sie auf der Rücksitzbank seines Wagens an. »Ich werde immerhin Arzt. Ich weiß, wie man eine Schwangerschaft verhindert. Also, wenn du dir deswegen Sorgen machst, kann ich dich beruhigen.«
»Das ist es nicht«, stammelte sie. »Ich finde nur, eine Frau sollte warten, bis sie …«
»… verheiratet ist.« Er grinste spöttisch. Die herablassende Reaktion zeugte von seiner tiefen Frustration. »Wo lebst du eigentlich? Auf dem Mond?«
»Mach dich bitte nicht lustig über mich oder meine Ansichten«, widersetzte sie sich mit wutblitzenden Augen. »Ich bin wie ich bin und kann eben nicht aus meiner Haut.«
Er fluchte leise. Dann spähte er eine lange Weile brütend aus dem Wagenfenster. »Teufel noch«, seufzte er schließlich. »Also gut, willst du unbedingt heiraten? Wie ich meinen Dad kenne, unterstützt er uns bestimmt finanziell.«
Shelley hatte es nicht sonderlich gekümmert, dass er quasi zwischen Autotür und -angel einen Antrag machte und nicht die Spur von Romantik bewies. Sie stürzte sich auf ihn, schlang die Arme um seinen Hals. »Oh, Daryl, Daryl.«
An jenem Abend durfte er ihr den BH ausziehen und ihre Brüste küssen. Er war begeistert, sie enttäuscht. Es war bei weitem nicht so schön, wie sie vermutet hatte. Und er war auch nicht wie der Mann, von dem sie ständig träumte …
Und genau dieser Mann war jetzt wieder aufgetaucht, und sie hatte emotional kein bisschen dazugelernt. Konnte mit ihren Gefühlen für ihn genauso wenig umgehen wie damals. Allerdings war sie inzwischen älter und vermutlich auch reifer. Oder? Sicher, die einzig richtige Entscheidung wäre gewesen, Grant Chapmans Seminar fallen zu lassen; aber das brachte sie nicht so ohne weiteres fertig.
Stundenlang brütete sie über ihrer Entscheidung und starrte abwesend aus dem Fenster, statt die Zeit sinnvoller für ihr Studium zu nutzen. Wie, fragte sie sich im Stillen, könnte sie ihn freundlich-bestimmt abwimmeln? Damit er künftig nicht mehr auf die Idee verfiel, sich mit ihr zu verabreden? Andererseits konnte sie sich bereits ihre Enttäuschung ausmalen, wenn er den
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