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Ein Kuss fur die Unsterblichkeit

Ein Kuss fur die Unsterblichkeit

Titel: Ein Kuss fur die Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Fantaskey
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jetzt, wo ich die Wahrheit über ihn erfahren
hatte. Vielleicht ein bisschen von beidem. Der Vampir, der keiner Fliege etwas
zuleide tun würde, hatte schon viele Leben auf dem Gewissen.
    Ich wusste
aber, die Geschichte war noch nicht ganz zu Ende. »Warum hat man dir den Pflock
weggenommen?«
    Er fuhr sich durch die Haare, noch eine Geste, die mich an Lucius
erinnerte. Ich fragte mich, ob Lucius wohl gerade fror in diesem furchtbaren
Sturm. Ob er ein Feuer hatte. Oder ob er so tief unten in der Burg war, dass er
noch nicht einmal wusste, dass der ganze Ort von einem gewaltigen Sturm
erschüttert wurde.
    »Es ist
auch für mich verwirrend, selbst jetzt noch«, sagte Raniero. »In dem Sommer,
als ich sechzehn bin, komme ich zu der Sommerversammlung der Vampire zurück
nach Rumänien ...«
    Der Gedanke
an die kommende Versammlung, auf der über Lucius' und meine Regentschaft
abgestimmt werden sollte, schoss mir durch den Kopf und ich zuckte zusammen.
    »... und
natürlich bin ich nicht glücklich, diejenigen wiederzusehen, die mich zu dem
gemacht haben, was ich bin. Die mich so verdreht haben, dass ich nicht mehr
weiß, wer oder was ich bin.« Er schien noch aufgewühlter zu sein, als er sich
daran zurückerinnerte. »Und an einem Abend geht alles schief.«
    »Schief?«
    »Si.« Er antwortete mechanisch, tief in
Gedanken versunken. »Den einen Augenblick bin ich wütend – aber ich habe mich
unter Kontrolle. Und im nächsten Augenblick tue ich Dinge, die ich nicht
verstehe. Sehr falsche Dinge ...« Ratlos schüttelte er den Kopf. »Finalmente, ohne zu wissen, was ich tue, vernichte ich grundlos einen Vampir.«
Er zuckte mit den Schultern. »In dem Moment, wo ich ihn sehe, hole ich meinen
Pflock hervor und vernichte ihn einfach so. Bloß wegen des Nervenkitzels. Es
ist, als ob ich die ganze Sache beobachte. Als ob ich es träume – aber es ist
real. Eine allucinazione, die sich als wirkliches Geschehen
herausstellt, als ich aufwache.«
    Meine
Finger krampften sich um die Armlehne von Lucius' Stuhl. Ich hatte so meine
Probleme mit der rumänischen Sprache, aber ich hatte das italienische Wort,
das er gerade gebraucht hatte, erkannt. Halluzination. Wahnvorstellung.
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Konnte der Druck dieses Ortes einen
wirklich verrückt machen?
    »Ich habe
noch nie vorher so etwas erlebt«, sagte er. »Ich war ein Killer, aber ich töte
nie ohne Anweisung der Ältesten.«
    »Und
grundlos jemanden zu vernichten, ist das größtmögliche Verbrechen, oder?«
    »Si«, bestätigte Raniero. »Ich kann von
Glück sagen, dass die, die meine Tat beobachteten, mich nicht auf der Stelle
vernichtet haben.«
    »Und warum
bist du ... immer noch ...?« Am Leben?
    »Lucius
löst die Menge auf, denn obwohl er noch sehr jung ist, hören bereits alle auf
ihn. Und bei meinem Prozess setzt er sich für mich ein und er hat genug Macht,
meine Begnadigung zu erreichen. Dafür bin ich jetzt als blestamata gekennzeichnet.«
Er hielt seine Hand hoch. »Das bedeutet, sollte ich jemals wieder eine
Gewalttat verüben, werde ich auf der Stelle und ohne einen weiteren Prozess
vernichtet.« Er ließ die Hand fallen. »Und natürlich hat kein so gezeichneter
Vampir bisher besonders lange gelebt, denn in unserer Welt zieht Gewalt weitere
Gewalt nach sich. Aber ich bin Lucius dankbar für seine Gnade. Ich habe sie
nicht verdient – besonders nicht von ihm.«
    Auch ich
war überrascht von Lucius' Mitgefühl. »Weil ihr euch bis aufs Blut bekämpft
habt. Wie ist es gekommen, dass ihr nun ›Brüder‹ seid?«
    Nach langer
Zeit huschte endlich wieder ein richtiges Lächeln über Ranieros Gesicht. »Du
verstehst nicht. Wir waren gezwungen zu kämpfen. Aber die Ältesten wussten,
dass das in Wirklichkeit ein Band zwischen uns schmiedet. Wenn wir
nicht kämpfen, lachen wir mit blutenden Mündern über unser trauriges
Schicksal.« Sein Lächeln wurde noch etwas wärmer. »Und wir waren aufsässig – besonders, als wir noch sehr jung waren. Wir sind nicht einfach zu
kontrollieren und machen jede Menge Ärger.«
    Zum ersten
Mal an diesem Tag brachte nun auch ich ein kleines Lächeln zustande. Ich konnte
mir Lucius als aufmüpfiges Kind gut vorstellen. Ich war froh, dass er einen
Freund an seiner Seite gehabt hatte.
    Doch mein
Lächeln erstarb ziemlich schnell. Was wäre gewesen, wenn er keinen Freund
gehabt hätte? Wäre er so geworden wie seine Onkel? Würde meinem Mann dieses
Funkeln in den Augen fehlen und seine Bereitwilligkeit, sich

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