Ein Kuss und Schluss
und die aufgeplatzte Lippe gewesen wären. Als Tom ihn gefragt hatte, wie es dazu gekommen war, hatte er gesagt, er hätte ein paar Schläge einstecken müssen, als er versucht hatte, eine Kneipenschlägerei zu beenden. Paula hätte am liebsten laut geschrien. Wenn er auch nur einen Funken Stolz besäße, hätte er sich einen Job in anständiger Umgebung gesucht und nicht in diesen anrüchigen Clubs. Andererseits ... wenn er auf solche Dinge Wert legen würde, hätte er sich niemals Rhonda als Freundin aussuchen dürfen.
»So«, sagte Paula und stellte mit einem gezwungenen Lächeln die Nachos auf den Couchtisch. »Hier ist der Nachschub.«
Rhonda warf ihr Haar über die Schulter zurück und blickte mit einem angewiderten Schnaufen auf den Teller. »Musstest du diesmal unbedingt Bohnen drauftun?«
Paula stand reglos da. »Ich wusste nicht, dass du keine Bohnen magst.«
»Aber jetzt weißt du es.«
»Komm schon, Rhonda«, sagte Steve, ohne den Fernseher einen Moment aus den Augen zu lassen. »Sei nicht so wählerisch. Iss einfach die verdammten Nachos.«
Sie antwortete mit einem dramatischen Augenrollen. »Gut, dann esse ich sie eben!« Sie nahm einen Nacho und entfernte jede einzelne Bohne davon, die sie in einem kleinen Häufchen auf dem Teller zurückließ, bevor sie sich den halbnackten Nacho in den Mund steckte.
Wutschäumend stürmte Paula in die Küche zurück. Sie fragte sich, ob sie eine schlechte Gastgeberin wäre, wenn sie die Bohnen einzeln in Rhondas Nase schob.
Tom folgte ihr mit beschwichtigend erhobenenen Händen. »Ich weiß, sie kann einem ziemlich auf den Geist gehen. Aber ich glaube, das liegt hauptsächlich am Entzug. Steve sagt, dass sie auf Turkey kommt. Sobald sie das Zeug absetzt ...«
»Entzug? Willst du mich auf den Arm nehmen? Sie hat sich vor zehn Minuten in meinem Badezimmer eine Linie reingezogen!«
Tom sackte resigniert in sich zusammen. »Okay. Dann liegt es vielleicht am Koks, dass sie so unausstehlich ist.«
»Es liegt an ihr, dass sie so unausstehlich ist!«
»Versuch einfach, tolerant zu sein, ja? Steve wird bald wieder zur Vernunft kommen und sie abservieren. Ich weiß es.«
Tom kam näher, schloss Paula in die Arme und gab ihr einen Kuss, der ihre Knie weich werden ließ. Auf einmal war sie nicht nur bereit, alles Mögliche von Rhonda zu tolerieren, sondern hatte sogar gewisse Schwierigkeiten, sich zu erinnern, wer Rhonda war.
Tom liebkoste ihren Nacken, und ihr liefen kleine Schauder des Entzückens über den Rücken. »Warum machen wir nicht im Schlafzimmer weiter?«
»Jetzt? Während sie noch hier sind?«
»Sie werden kaum bemerken, dass wir eine Zeit lang verschwunden sind.«
Er nahm Paula an der Hand und führte sie ins Wohnzimmer zurück. »He, Steve. Paula und ich gehen jetzt ins Bett. Ihr könnt euch anschauen, was ihr wollt. Lasst später einfach die Tür ins Schloss fallen.«
Rhonda schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen, da sie immer noch damit beschäftigt war, systematisch die Bohnen von den Nachos zu entfernen. Steve brummte nur.
Tom führte Paula ins Schlafzimmer, und sie machte die Tür hinter sich zu. »Wieso muss ich ständig daran denken, dass sie mich nur wegen meines Großbildfernsehers lieben?«
»Komm schon, Paula«, sagte Tom lächelnd. »Was ist plötzlich los mit dir? Sonst entscheidest du doch immer im Zweifelsfall für den Angeklagten. Selbst wenn es um schäbige, drogenabhängige Klugscheißer wie Rhonda geht.«
Paula musste unwillkürlich zurücklächeln. Er hatte Recht. Sie hatte immer zu den exzessiv optimistischen Menschen gehört, die versuchten, in jeder Lebenslage etwas Gutes zu sehen. Aber in letzter Zeit, seit Renees Verhaftung, hatte sie das Gefühl, dass sich die Dinge vielleicht doch nicht immer zum Besten entwickelten.
»Weißt du noch, wie wir im letzten Sommer die Spiele der Rangers gesehen haben?«, fragte sie Tom. »Du und ich und Steve und Renee?«
»Ich erinnere mich sehr gut daran.«
»Damals hatte ich mir vorgestellt, wir vier würden für immer Zusammensein.« Sie seufzte bedauernd. »Schade, dass es nicht funktioniert hat. Nicht dass ich mir gewünscht hätte, Renee wäre immer noch mit Steve zusammen, aber ...« Paula brach ab, dann stieß sie verzweifelt den Atem aus. »Tut mir Leid, Tom. Ich wollte Steve nicht herabsetzen, aber ...«
»Schon gut. Ich weiß, dass Steve Fehler hat. Ich hoffe nur, er begreift eines Tages, dass jemand wie Renee besser für ihn ist als jemand wie Rhonda.«
Paula
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