Ein Kuss und Schluss
könnte ein Weilchen dauern.«
Sie sah Paula an und wollte sie gar nicht mehr loslassen. Ihre warmen braunen Augen füllten sich mit Tränen, und Renee fragte sich, ob sie je wieder eine solche Freundin finden würde - jemanden, der die Menschen so akzeptierte, wie sie waren, und sie trotzdem gern hatte. Tom war vermutlich der glücklichste Mann der Welt, und Renee hoffte inständig, dass er sich dessen bewusst war.
Endlich löste sie sich von ihr. »Ich muss jetzt gehen.«
Paula nickte.
Renee stieg in Johns Wagen und setzte rückwärts aus der Parklücke. Sie wollte sich nicht noch einmal zu Paula umblicken, sondern konzentrierte sich ganz auf ihr Vorhaben, die Stadt zu verlassen. An der Straße bog sie nach rechts ab und fuhr in Richtung Highway. Tränen trübten ihr Sichtfeld. Sie blinzelte heftig, dann wischte sie sich mit dem Ärmel über die Augen. Alles wäre vergeblich gewesen, wenn sie jetzt den Überblick verlor und sich mit Johns Explorer um einen Telefonmast wickelte.
An der Ecke Harris und Zwölfte sprang die Ampel auf Rot, und sie blieb hinter einem anderen Wagen stehen. Sie lehnte sich gegen die Kopfstütze, schloss die Augen und versuchte, ihre völlig zerrütteten Nerven wieder in den Griff zu bekommen. Wenn sie erst den Highway erreicht hatte, würde sie etwas ruhiger werden. Dann konnte sie entscheiden, in welche Richtung sie weiterfuhr. Alles würde gut werden. Wenn sie nicht die Nerven verlor.
Dann verspürte sie jenes seltsame Kribbeln im Nacken das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie blickte nach links, auf den Wagen, der neben ihr vor der Ampel wartete. Es war ein nagelneuer roter Blazer, der erst vor wenigen Augenblicken das Autohaus verlassen zu haben schien. Hinter den dunkel getönten Scheiben konnte sie undeutlich eine Gestalt erkennen, einen recht großen Mann, der sie anstarrte. Dann senkte sich die Seitenscheibe, und sie konnte deutlich sein Gesicht erkennen - ein Gesicht wie aus einem schrecklichen Albtraum, mit einem weißen Verband auf der gebrochenen Nase.
»Hallo, Süße!«, rief er. »Lange nicht gesehen.«
16
Fassungslos starrte Renee auf Leandros hässliches Gesicht und war wie gelähmt. Wie hatte er sie schon wieder ausfindig machen können? War er ein Kopfgeldjäger mit hellseherischen Fähigkeiten?
Sie musste von hier verschwinden. Sofort.
Aber wie? Vor ihr stand ein Wagen und blockierte die Straße. Und die Ampel stand immer noch auf Rot. Sie hupte, aber der Fahrer vor ihr zuckte nur mit den Schultern und zeigte auf die Ampel.
Und Leandro stieg aus seinem Wagen.
Nein, nein, nein!
Sie schaltete in den Rückwärtsgang. Doch kurz bevor sie das Gaspedal durchtreten konnte, stellte sie den Fuß wieder auf die Bremse, weil sie im Rückspiegel sah, dass der Lieferwagen einer Bäckerei hinter ihr stand.
Sie war eingekeilt.
Leandro ging um die Motorhaube seines Wagens herum und kam dann direkt auf sie zu. Sie verriegelte die Türen des Explorers und drückte wieder auf die Hupe. Der Mann vor ihr drehte sich nur um und warf ihr einen genervten Blick zu, während er mit einer Hand auf den Querverkehr zeigte. Sie wusste, dass sich Leandro nicht auf Dauer durch die verriegelten Türen aufhalten ließ, aber ihr wäre jetzt schon mit ein paar Sekunden Vorsprung geholfen.
Spring auf Grün, Ampel! Mach schon!
Leandro tauchte neben dem Explorer auf, und sein Kahlkopf glänzte im Licht der Morgensonne. Auf seinem gewaltigen Bizeps zeichneten sich deutlich die Tattoos ab. Und dann sah sie den Baseballschläger.
Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, zertrümmerte er damit das Seitenfenster auf der Fahrerseite. Renee zuckte zusammen und schützte ihr Gesicht vor dem Regen aus Glassplittern. Leandro griff ins Wageninnere, entriegelte die Tür und riss sie auf. Er stellte die Automatik auf Parken, dann packte er sie am Arm und zerrte sie nach draußen.
»Lassen Sie mich los!«
Er schleifte sie zu seinem Wagen. Sie schrie, schlug um sich und hoffte, dass ihr jemand zu Hilfe kam, der die Szene verfolgte. Aber wer noch einigermaßen bei Verstand war, würde nicht im Traum daran denken, sich einem riesigen, hässlichen, mit einem Baseballschläger bewaffneten Monstrum in den Weg zu stellen.
»He!«, rief sie. »Sie können meinen Wagen doch nicht einfach mitten auf der Straße stehen lassen!«
»Nicht mein Problem.«
Leandro stieß sie auf den Beifahrersitz des Blazers, und als er die Tür zuschlug, sah sie, dass er noch gar nicht dazu gekommen war, auch bei diesem Wagen
Weitere Kostenlose Bücher