Ein Kuss und Schluss
fielen sich in die Arme und wollten sich gar nicht mehr loslassen. Schließlich schaffte Paula es, sich von ihr zu lösen. »Du hättest schon längst in New Orleans sein können! Was ist passiert?«
Renee schüttelte den Kopf. »Du glaubst mir kein Wort, wenn ich es dir erzählen würde.«
»Doch! Du musst es mir erzählen. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ich muss unbedingt erfahren, was los ist.«
Renee nahm Platz und gab Paula eine geraffte Zusammenfassung der Ereignisse, seit sie zuletzt miteinander geredet hatten, als Renee in der Schlange vor McDonald‘s mit Johns Handy angerufen hatte. Paulas Augen wurden immer größer, vor allem bei der Stelle, als John sie in sein Haus mitnahm. Renee erzählte die Geschichte so sachlich wie möglich und ließ nur aus, dass John mit ihr geschlafen und anschließend ihr Herz in kleine Stücke zerfetzt hatte. Dieser Zwischenfall spielte jetzt keine Rolle mehr. Es war vorbei, und sie wollte nicht mehr daran denken.
»Warte mal«, sagte Paula. »Du hast diesen Kerl in Handschellen an sein Bett gefesselt zurückgelassen?«
»Ich musste es tun. Sonst hätte er mich früher oder später ins Gefängnis gebracht. Du weißt, was ich durchgemacht habe, Paula. Ich konnte nicht zulassen, dass er es tut.«
»Bist du dir sicher, dass er dir nicht mehr helfen wird?«
Renee verspürte einen Stich der Verunsicherung, und für einen Sekundenbruchteil stellte sie sich vor, wie sie zu ihm zurückkehrte, sich von ihm in die Arme nehmen ließ und sich wieder warm und geborgen fühlen würde ...
Nein. Das war unmöglich geworden. Er glaubte ihr nicht mehr. Jetzt nicht mehr. Sie konnte dem Gefängnis nur entgehen, wenn sie die Stadt verließ.
»Ich bin mir sicher«, sagte sie zu Paula. »Aber du kannst mir helfen. Ich brauche Geld. Ich habe keine Brieftasche mehr, keine Kreditkarten - nichts.«
»Natürlich! Ich glaube, ich müsste noch ein paar hundert Dollar dahaben.« Sie nahm ihre Handtasche vom Küchentisch, holte ihre Geldbörse heraus, kramte darin herum und runzelte die Stirn. »Ich dachte, ich hätte mehr Bargeld ... ach ja, fast hätte ich es vergessen. Im Supermarkt habe ich bar bezahlt. Ich habe leider nur noch etwa dreißig Dollar!«
Renee sackte vor Enttäuschung zusammen. Sie würde in nächster Zeit wesentlich mehr Geld benötigen.
»Renee?«
Renee fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Tom stand in der Tür zum Wohnzimmer.
Sie wandte sich wieder an Paula. »Du hast mir nicht gesagt, dass Tom hier ist!«
»Beruhige dich«, sagte Paula. »Er wird niemandem sagen, dass du hier bist.«
Tom wagte sich ins Zimmer. Er trug nichts außer blau karierten Boxershorts. Sein Gesicht wirkte verschlafen und leicht verdutzt, und sein blondes Haar stand steil nach oben, was ihn deutlich größer machte.
»Wir müssen etwas Geld zusammenkratzen, damit Renee die Stadt verlassen kann«, sagte Paula zu Tom.
»Was macht sie überhaupt noch in der Stadt?«
»Das geht dich nichts an«, erwiderte Renee streng und warf Paula einen bösen Blick zu, damit sie ihm nicht die ganze hässliche Geschichte erzählte.
»He, keine Panik!«, sagte Tom. »Ich habe nur gedacht, dass du inzwischen längst in New Orleans sein müsstest.«
Renee stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Warum hatte Paula ihm sagen müssen, wohin sie unterwegs war? Je mehr Leute davon wussten, desto größer wurde die Gefahr für sie.
»Alles ist in Ordnung, Renee«, beteuerte Paula noch einmal. »Tom, hast du Bargeld dabei?«
Er runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht genau. Vielleicht ein paar Bucks.«
»Könntest du sie Renee leihen?«
»Klar. Ich schau mal nach, was ich habe.«
Tom holte seine Brieftasche, und es überraschte Renee nicht, als er nur lumpige neun Dollar anzubieten hatte. Paula dankte ihm mit einem anerkennenden Lächeln, als hätte er ihr soeben neunhundert Dollar anvertraut.
Renee nahm das Bargeld entgegen, und Tom hob enttäuscht die Schultern. »Tut mir Leid, dass es nicht mehr ist«, sagte er, und für einen Moment glaubte Renee, dass er ihr gerne neunhundert gegeben hätte, wenn er so viel Geld zur Verfügung gehabt hätte.
»Renee?«
Als sie eine weitere Stimme hinter ihrem Rücken hörte, fuhr Renee erschrocken herum. Ihr Unterkiefer klappte herunter, als sie sah, wer das Zimmer betreten hatte.
»Steve!«, sagte Paula. »Was machst du hier?«
»Der Film lief recht lange, und du hast ein Gästezimmer. Ich dachte, du hättest nichts dagegen.« Dann wandte er sich an Renee.
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